Projektionsschauspiele – Vorformen des Kinos

Noch bevor der Kinematograph die Welt eroberte, arrangierten Schausteller bunte und spektakuläre Bilderwelten. Von den faszinierenden Lichtspielen angezogen, tauchte das Publikum in neue Wahrnehmungswelten ein, die auf das visuelle Kinoerlebnis vorbereiteten.

In der prä-kinematographischen Zeit zogen fahrende Leute von Ort zu Ort, von Jahrmarkt zu Jahrmarkt, und inszenierten mittels Camera obscura, magischer Laternen, phantastischer Guckkästen, seltsamer Wundertrommeln und atemberaubender Panoramen mannigfaltige Projektionsschauspiele. Ausgeklügelte Bildermaschinen täuschten das menschliche Auge und lösten ungewöhnliche Seheindrücke aus. Mit der bereits 1665 in Lyon, Paris, Kopenhagen und Rom vorgeführten „Laterna magica“ konnten Bilder und Fotografien per Lichtstrahl und Hohlspiegel vergrößert projiziert werden. Panoramen boten den Besuchern den Zugang zu einer künstlich installierten Welt. In eigenen Gebäuden wurden diese Riesenrundgemälde in 360° um den Betrachter drapiert. Das erste Rundpanorama wurde 1801 in Wien ausgestellt und präsentierte das „Londoner Bild“. Das Mutoskop ermöglichte es, auf einer Scheibe angeordnete Phasenbilder zu projizieren. Die Automatenversion dieses „elektrischen Schnellsehers“ fand sich bald auf Bahnhöfen und in Unterhaltungsetablissements wieder. In Wien war der Apparat ab 1890 im Einsatz.

Zum populärsten Bildmedium um 1900 avancierte allerdings das Kaiserpanorama. Darunter verstand man eine Holzrondeau-Konstruktion, die meist mit 25 Betrachtungsplätzen ausgestattet war. In fast allen größeren Städten der Monarchie fanden sich solche Kollektiv-Guckkästen. Etwa eine halbe Minute blieb zur Betrachtung, dann bewegte sich das Fotokarussell mit einem lauten Klingelzeichen weiter. Pro Woche wechselten die stereoskopischen und handkolorierten Serien-Fotografien aus Österreich und aller Welt. Neben Reise- und Städteaufnahmen waren im Kaiserpanorama auch aktuelle Reportagen zu wichtigen Zeitgeschehnissen zu sehen. Mit seinem von Woche zu Woche wechselnden Programm und den präsentierten Bildinhalten nahm es die spätere Wochenschau vorweg. Das Kaiserpanorama gilt somit als ein direkter Vorläufer des Kinos. Das Wiener Kaiserpanorama wurde am Standort Stubenring 1885 eröffnet und bestand fast 70 Jahre.

Bibliografie 

Fölsch, Wiebke K.: Buch Film Kinetiks. Zur Vor- und Frühgeschichte von Daumenkino, Mutoskop & Co, Berlin 2011

Kieninger, Ernst/Rauschgatt, Doris: Die Mobilisierung des Blicks. Eine Ausstellung zur Vor- und Frühgeschichte des Kinos, Wien 1995

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