Wirtschaftlich gesehen war die Donaumonarchie auf einen großen und langen Krieg nicht vorbereitet. Es waren vor allem die Illusionen über die Dauer des Krieges, die eine umfassende ökonomische 'Aufrüstung' hintanhielten.
Spätestens seit dem 18. Jahrhundert bestand der unlösbare Widerspruch Österreich-Ungarns darin, dass die Monarchie als europäische Großmacht auftrat, ohne die ökonomischen Voraussetzungen dafür zu erfüllen. Nach den verlorenen Kriegen in den 1850er und 1860er Jahren in Italien und gegen Preußen schien aber eine Periode des Friedens anzubrechen, in der es auch wirtschaftlich bergauf ging. Doch die vier Jahrzehnte der relativen Ruhe, die auf den Krieg von 1866 folgten, wurden spätestens nach der durch die Annexion Bosniens und Herzegowinas (Bosna i Hercegovina) ausgelösten „Annexionskrise“ von 1908 von neuen Spannungen zwischen den europäischen Großmächten abgelöst, die von einer massiven Aufrüstung zu Land und zur See begleitet waren.
Diese Entwicklung führte geradewegs ins alte Dilemma zurück: Aufgrund des Umstandes, dass Österreich-Ungarn keine maritime Großmacht war, lagen seine Rüstungsausgaben zwar relativ niedriger als die seiner Konkurrenten (siehe Tabelle). Dennoch war die Monarchie ein Staatengebilde, das bereits vor 1914 „über seine Verhältnisse lebte“ (Eduard März). Dies lag vor allem an der Aufrüstung. So gesehen war die Monarchie, wie der ungarische Historiker Oscar Jaszi schrieb, „ökonomisch betrachtet schon im Jahr 1913 ein besiegtes Reich". Die einzige weitblickende kriegswirtschaftliche Maßnahme, die bei Kriegsausbruch ergriffen wurde, war die Suspension der Goldeinlösepflicht der Österreichisch-Ungarischen Bank am 4. August 1914. (Unter dem Regime des Goldstandards waren die Nationalbanken verpflichtet, die von ihnen ausgegebenen Banknoten auf Verlangen in Gold umzuwechseln.)
Fehleinschätzungen wie jene, dass der Krieg nur von kurzer Dauer sein werde, sorgten dafür, dass die Doppelmonarchie – wirtschaftlich gesehen – in den Krieg geradezu hineinstolperte. Es gab keine Planungen über den Tag hinaus. Der Beginn des Krieges rief sofort ökonomische Turbulenzen hervor, weil die kriegstauglichen Arbeiter und Bauern ohne Rücksichtnahme auf die Erfordernisse der Rüstungsproduktion und Ernährungssicherung eingezogen wurden. Darüber hinaus rief der schlagartige Rückgang der zivilen Nachfrage Arbeitslosigkeit hervor.
Die dilettantische Kriegsplanung hatte eine regelrechte Mobilisierungskrise zur Folge. Sie beruhte vor allem auf Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Proviant, Bekleidung und militärischer Ausrüstung. Da die Nachrüstung nur schleppend in Gang kam, trat im Herbst und Winter eine akute Knappheit an schweren Waffen und Winterbekleidung ein. Der Preis dafür waren hohe Verluste an Menschenleben.
Clark, Christopher: Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog, München 2013
Janz, Oliver: Der Große Krieg, Frankfurt am Main 2013
März, Eduard: Bankpolitik in der Zeit der großen Wende 1913–1923. Am Beispiel der Creditanstalt für Handel und Gewerbe, Wien 1981
Rauchensteiner, Manfried: Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie, Wien/Köln/Weimar 2013
Wegs, Robert J.: Die österreichische Kriegswirtschaft 1914–1918, Wien 1979
Zitate:
„ökonomisch betrachtet schon im Jahr 1913 …“: Jaszi, Oscar: The Dissolution of the Danube Monarchy, Chicago 1961, 212
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Kapitel
- Die tieferen Ursachen des Ersten Weltkrieges
- Die Torheit der damals Regierenden
- Schumpeters Imperialismus-Theorie: Drängte das 'Großkapital' zum Krieg?
- Ein Staat, der über seine Verhältnisse lebt
- Probleme der Kriegswirtschaft
- Höhepunkt und Absturz der ökonomischen Kriegsleistung
- Verschiebungen in der Produktionsstruktur
- Die Änderung der sozialen Kräfteverhältnisse im Verlauf des Krieges