Mit Fortdauer des Krieges wurden immer mehr Männer zum Kriegsdienst beordert. Nun lag es am weiblichen Teil der Bevölkerung, den Mangel an Arbeitskräften zu kompensieren und die in den Krieg gezogenen Männer zu ersetzen.
Nach Kriegsausbruch kam es zunächst zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit und zu einer ersten Entlassungswelle, wovon besonders viele Dienstmädchen betroffen waren. Doch bereits im zweiten Kriegsjahr führte der Armeedienst der Männer zu einem Arbeitskräftemangel, weshalb nun die Frauen (in allen Krieg führenden Staaten) dazu aufgerufen wurden, sich aktiv an der Kriegswirtschaft zu beteiligen und in traditionell männliche Berufsfelder einzutreten.
Viele erwerbstätige Frauen fanden eine Beschäftigung in der Metallindustrie oder nahmen eine Stelle in einer Pulverfabrik an. Laternenanzünderinnen, Schaffnerinnen, Briefträgerinnen und Kutscherinnen prägten das Bild der Städte und wurden zu Symbolen weiblicher Erwerbsarbeit.
Die Umstellung auf die Kriegswirtschaft hatte eine Umstrukturierung des weiblichen Arbeitsmarktes zur Folge. Während die Textilindustrie, die bereits vor dem Krieg ein traditionell weibliches Betätigungsfeld darstellte, starke Einbrüche erlebte, verzeichnete die Metallindustrie einen großen Aufschwung. Die Zahl der erwerbstätigen Frauen stieg daher besonders in den kriegsnotwendigen Arbeitsbranchen massiv an. Einige österreichische Betriebe der Maschinenindustrie beschäftigten 1916 bereits 50 % weibliche Arbeitskräfte. Auch innerhalb der Munitionsindustrie stieg der Frauenanteil erheblich.
Die langen Arbeitszeiten, die vielen Nachtschichten und die oftmals gefährlichen Arbeitsbedingungen stellten die Frauen vor große Herausforderungen. Ihr Lohn blieb, wie in allen anderen Bereichen der weiblichen Erwerbsarbeit, weit unter dem Verdienst der Männer. Auch die Straßenbahnschaffnerinnen erhielten mit einem Tageslohn von 3,60 Kronen um 30 Heller weniger als ihre männlichen Kollegen.
Bei den Arbeiterinnen der Munitions- und Rüstungsindustrie handelte es sich zumeist um Frauen, die entweder neu ins Erwerbsleben einstiegen oder aus einem anderen Erwerbsfeld kamen: Landarbeiterinnen, entlassene Dienstmädchen oder ehemalige Arbeiterinnen der Textilindustrie. Viele Frauen der Mittelschicht interessierten sich hingegen für eine Anstellung als Sekretärin oder Bürokraft.
Mit Kriegsende und der Heimkehr der Soldaten mussten viele der in der Industrie tätigen Frauen ihren Arbeitsplatz wieder verlassen. Die Zahl der Erwerbsarbeiterinnen fiel auf den Vorkriegsstand zurück. Während sich der Frauenanteil in Industriebetrieben drastisch reduzierte, blieben die Dienstverhältnisse der weiblichen Angestellten auch nach Beendigung des Krieges weitgehend bestehen. Das Vordringen von Frauen in traditionell männliche Berufsfelder war also nicht viel mehr als ein kriegsbedingtes ‚Gastspiel’.
Dennoch bildete der Arbeitseinsatz von Frauen im Krieg eine wichtige Grundlage für die Erlangung der politischen Gleichberechtigung und die Einführung des Frauenwahlrechts. Die Kriegsgesellschaft sowie der Staat brachten den weiblichen Aktivitäten größte Wertschätzung entgegen und betrachteten diese als notwendigen Beitrag zum erfolgreichen Verlauf des Krieges. Das Betätigungsfeld der Frau war nicht länger auf den privaten Bereich beschränkt, rückten doch viele Frauen in ihrer Funktion als Munitionsarbeiterin, Schaffnerin und freiwillige Mitarbeiterin in der Kriegswohlfahrtspflege in die Öffentlichkeit. Die kriegsbedingte Dynamisierung des weiblichen Lebens war ein Mitgrund für die politische Gleichstellung der österreichischen Frauen, die im Dezember 1918 schließlich das allgemeine und gleiche Wahlrecht erhielten.
Augeneder, Sigrid: Arbeiterinnen im Ersten Weltkrieg. Lebens- und Arbeitsbedingungen proletarischer Frauen in Österreich, Wien 1987
Bauer, Ingrid: Frauen im Krieg. Patriotismus, Hunger, Protest – weibliche Lebenszusammenhänge zwischen 1914 und 1918, in: Mazohl-Wallnig, Brigitte (Hg.): Die andere Geschichte 1. Eine Salzburger Frauengeschichte von der ersten Mädchenschule (1695) bis zum Frauenwahlrecht (1918), Salzburg 1995, 285-310
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