Die Rüstungsindustrie Österreich-Ungarns

Die Rüstungsindustrie der Habsburgermonarchie hatte zu Kriegsbeginn mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen. Zwar sollten diese mit der Zeit gelöst werden, doch stellten sich bald neue und überaus schwerwiegende Probleme ein.

Das Hauptproblem, mit dem sich die habsburgische Rüstungsindustrie zu Kriegsbeginn konfrontiert sah, war die kaum vorhandene Vorbereitung auf den Kriegsfall.

So gab es in der metallverarbeitenden Schwerindustrie lediglich zwei Produktionsstandorte – die Pilsner Škoda-Werke und das Wiener Artilleriearsenal –,  die überhaupt die betrieblichen Voraussetzungen erfüllten, um das nun dringend benötigte Kriegsmaterial herzustellen. Da sich jedoch die Artillerie inmitten eines Modernisierungsprozesses befand, mussten auch an diesen beiden Standorten die Werkeinrichtungen erst auf die Produktion der neuen Waffensysteme umgerüstet werden. Somit konnten erst im Verlauf des Jahres 1915 nennenswerte Ausstoßzahlen erreicht werden.

Bei den anderen großen waffenerzeugenden Industriestandorten der Monarchie, wie den österreichischen Böhler-Werken, den Stahlwerken in Witkowitz und Resicza sowie in der Kanonenfabrik in Györ, sollte es noch dauern, bis man die neuen Waffensysteme herstellen konnte. Als problematisch erwies sich zu Kriegsbeginn auch der mit der Mobilisierung einhergehende Facharbeitermangel, der erst sukzessive durch Rückstellungen wieder ausgeglichen wurde.

Ab der Mitte des Jahres 1916 waren die Umstellungen von der Friedens- zur Kriegsproduktion jedoch so weit vorangeschritten, dass die habsburgische Rüstungsindustrie hohe bis sehr hohe Produktionszahlen vorweisen konnte. Doch diese Hochphase sollte nur von kurzer Dauer sein, denn bereits Mitte des Jahres 1917 ging die Industrieproduktion dramatisch zurück.

Was war innerhalb dieses Jahres geschehen? Schon kurz nach der erfolgreichen Umstellung der Produktionsinfrastrukturen trat ein neues Problem auf, das die Rüstungsindustrie schwer treffen sollte: Der im Winter 1916/17 einsetzende und sich massiv zuspitzende Rohstoffmangel. Als besonders verheerend für die Rüstungsindustrie erwies sich dabei die durch die Handelsblockade verschlechternde Kohleversorgung. Zu Engpässen kam es auch bei anderen Rohstoffen wie bei Blei, Kupfer, Eisenerz und Stahl. Im Gegensatz zur Kohle konnten diese Engpässe durch Sparmaßnahmen, die Verwendung von Ersatzstoffen oder wie im Falle des Kupfers durch Zurückgreifen auf Kupferdächer und Kirchenglocken halbwegs in den Griff bekommen werden. Der Kohlemangel war hingegen unlösbar und hatte mehrfache Folgen: Zum einen war die Kohle essenzieller Ausgangsstoff für die chemische Industrie und die Produktion der massenhaft benötigten Sprengstoffe. In der Metallindustrie wiederum wurden mit ihr die Hochöfen zur Metallgewinnung betrieben. Auch lieferte sie jene Energie, mit der in den weiterverarbeitenden Industrien die Maschinen und Produktionsstraßen angetrieben wurden. Von größter Bedeutung war auch ihre Funktion für das Transportwesen. Zum einen sollten die kohlebetriebenen Dampflokomotiven die Rüstungsgüter an die verschiedenen Frontbereiche transportieren, zum anderen mussten die arbeitsteilig organisierten Industrien kontinuierlich mit Rohstoffen und Halbfertigprodukten beliefert werden.

Zum Rohstoffmangel gesellten sich die dramatischen Nahrungsmittelengpässe, welche die Arbeiterschaft zusehends demoralisierten. Die resultierenden Proteste und Streiks taten ihr Übriges. Seit Frühjahr 1918 mussten immer mehr Betriebe ihre Produktion völlig einstellen. So konnte beispielsweise der Munitionsverbrauch der letzten Kriegsmonate nur noch über die Lagerbestände des Armeeoberkommandos gedeckt werden. Doch auch diese Reserven wären spätestens im Frühjahr 1919 zur Neige gegangen.

Bibliografie 

Ortner, M. Christian: Die k. u. k. Armee und ihr letzter Krieg, Wien 2013

Rauchensteiner, Manfried: Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie 1914-1918, Wien 2013

Ullmann, Hans-Peter: Kriegswirtschaft, in: Hirschfeld, Gerhard/Krumreich, Gerd/Renz, Irina (Hrsg.), Enzyklopädie Erster Weltkrieg, 3. Auflage, Paderborn/München/Wien/et al. 2009,  220-232

Inhalte mit Bezug zu diesem Kapitel

Aspekt

  • Aspekt

    Der industrialisierte Krieg

    Der Erste Weltkrieg war ein Krieg des enormen Materialeinsatzes. Die Armeen mit ihren Massenheeren mussten ausgerüstet und versorgt werden. Die Materialschlachten wären ohne die großindustrielle Herstellung von Waffen und anderen kriegsnotwendigen Produkten unmöglich gewesen. Nur durch die gesamtgesellschaftliche Mobilisierung aller zur Verfügung stehenden Ressourcen konnte die riesige Kriegsmaschinerie aufrechterhalten werden.

Personen, Objekte & Ereignisse

  • Objekt

    Revolutionäre Bewegungen, Streikbewegungen

    Die Umstellung der Produktionsstätten auf Kriegswirtschaft und der Einsatz der Männer an der Front bedingte, dass zunehmend Frauen in zuvor typischen Männerberufen, wie beispielsweise in Betrieben der Rüstungsindustrie, beschäftigt wurden. Frauen mussten auch die Versorgung ihrer Familien übernehmen und reagierten daher auch als Erste mit Protestaktionen auf die zunehmend prekäre Ernährungslage und auf extrem schlechte Arbeitsbedingungen in den Betrieben.

  • Objekt

    Mangel und Elend

    Als im Jänner 1915 die Bevölkerung auf ausbleibende Brot- und Mehllieferungen mit Panikkäufen reagierte, führte die Kriegs-Getreide-Verkehrsanstalt das Bezugskartensystem ein. Pro-Kopf-Quoten wurden festgesetzt und über Brot- und Mehlkarten verteilt. Doch selbst die zugewiesenen Rationen konnten angesichts der Krise immer seltener ausgegeben werden und die Papierscheine erwiesen sich als wertlos.

Entwicklungen

  • Entwicklung

    Alltag an der (Heimat) Front

    Wie gestaltete sich der Alltag in der Heimat und an den Fronten während der Jahre 1914 bis 1918? Lässt sich der Alltag einer bürgerlichen Frau mit jenem einer Arbeiterin vergleichen? Machte ein Offizier dieselben Fronterfahrungen wie ein Mannschaftssoldat? Oder müssen wir nicht eher davon ausgehen, dass wir es mit einer immensen Fülle an Einzelerlebnissen und -erfahrungen zu tun haben, die den Kriegsalltag der Bevölkerung und der Soldaten an den Fronten prägten?