Die hohe Kadenz des Maschinengewehrs: Von Mitrailleuse, Gatling-Gun, Maxim und Schwarzlose

Das Maschinengewehr nahm unter den Waffengattungen des Ersten Weltkriegs eine herausragende Stellung ein. Abertausende Soldaten starben im Kugelhagel. Doch das ganze militärische Potenzial dieser automatischen Schusswaffen sollte sich erst im Verlauf des Krieges herausstellen.

Als erste Schnellfeuerwaffen galten die seit den 1850er Jahren in Belgien und Frankreich nach dem Prinzip von Salvengeschützen entwickelten Mitrailleusen sowie die in den 1860er Jahren in den Vereinigten Staaten entwickelten Gatling-Guns. Die Gatling-Gun hatte gegenüber der Mitrailleuse den Vorteil, dass sie als Repetiergeschütz nicht nach jeder Salve manuell nachgeladen werden musste. Beide Waffensysteme verfügten bereits über eine hohe Schusskadenz, doch handelte es sich bei ihnen noch um keine automatischen Waffen im eigentlichen Sinn, da sie noch manuell über eine Handkurbel betrieben wurden.

Das erste automatische, weil selbstladende Maschinengewehr, wurde 1884 vom in England tätigen Amerikaner Hiram Maxim (1840-1916) konstruiert. Im Unterschied zu den Vorgängern musste die Maxim-Gun nicht mehr manuell angetrieben werden, da sie für den Nachladevorgang die beim Abfeuern frei werdende Rückstoßenergie nutzte. Neben ihrer hohen Schussfolge von etwa 500 Schuss pro Minute erwies sich diese Waffe auch in Gewicht und Zuverlässigkeit ihren Vorgängern überlegen. In den folgenden Jahren wurde die Maxim-Gun mehrmals überarbeitet und verbessert sowie für verschiedene Einsatzzwecke adaptiert. Sie wurde in eine Vielzahl von Ländern exportiert oder in Lizenz produziert.

Auch die k. u. k. Armee wurde seit 1887/88 durch Zukäufe einiger Maxim-Guns aufgerüstet. In etwa zeitgleich mit diesen Ankäufen entwickelten Erzherzog Karl Salvator (1839-1892) und Georg Ritter von Dormus (1853-1940) das Salvengeschütz der Mitrailleuse M.93. Da sich das M.93 als nur bedingt (feld)tauglich erwies, war diesem von den Skoda-Werken seit 1893 produzierten Maschinengewehr jedoch kein großer Erfolg beschieden.

Da die k. u. k. Militärs die Bedeutung dieser neuen Waffengattung weithin unterschätzten und sich die österreichisch-ungarische Waffenindustrie überwiegend der Produktion präziser Repetiergewehre widmete, kam es bei den Maschinengewehren vorerst zu keinen größeren Anschaffungen oder Neuerungen. Dies änderte sich im Jahr 1907, als die „Oesterreichische Waffenfabriksgesellschaft“ (OeWG) in Steyr die Lizenz zur Produktion des vom Berliner Ingenieur Andreas Wilhelm Schwarzlose (1867-1936) konstruierten Maschinengewehrs erwarb. Ab 1908 wurde das MG-System „Schwarzlose“ in die k. u. k. Armee eingeführt.

Im Ersten Weltkrieg sollte sich das Maschinengewehr als überaus erfolgreiche Waffengattung erweisen. Es galt neben den Geschützen der Artillerie als Tötungsmaschine per excellence, wobei es im Vergleich zur teuren Artilleriemunition ungleich kosteneffizienter ‚arbeitete’. Über eine Begegnung mit russischen Maschinengewehrstellungen bei Sambor (heute Ukraine, Самбір) schreibt beispielsweise der k. u. k. Offizier Jaromir Holy in einem Tagebucheintrag: „Flott schwärmen die Kompagnien aus, aber schon beginnt es zu pfeifen und ratatata ... tatata ... tatata ... hört man drüben die russischen Maschinengewehre schmettern. Wie von Regentropfen gepeitscht staubt der Lehmboden auf. Doch unbeirrt geht es Sprung um Sprung vorwärts. Aber – was sehe ich – dort links scheint ein Zug versagen zu wollen und selbst mein lauter Zuruf bringt die Liegenden nicht auf die Beine. Ich schicke hin und nehme bald die Meldung entgegen: ‚Alle tot‘ – Mann für Mann hat sie das russische Maschinengewehr niedergemäht…

Das ganze Potenzial dieser relativ neuen Waffe wurde erst im Verlauf des Krieges erkannt. Dieser Bedeutungsgewinn zeigte sich im Falle Österreich-Ungarns anhand der massiven Aufrüstung: Verfügte die k. u. k. Armee zu Kriegsbeginn lediglich über 2.700 Maschinengewehre verschiedener Bauart, so wurde dieser Bestand bis zum Kriegsende um mehr als 40.500 Maschinengewehre des Systems „Schwarzlose“ ausgebaut. Aber auch die während des Krieges erfolgten Weiterentwicklungen belegen die Bedeutung dieser Waffe. Denn während die klassischen Maschinengewehre aufgrund ihres Gewichts von durchschnittlich über 20 kg hauptsächlich als Defensivwaffen eingesetzt wurden, kamen während des Krieges automatische Offensivwaffen dazu: die etwa 10 kg schweren „Leichten Maschinengewehre“ sowie die durchschnittlich 5 kg wiegenden Maschinenpistolen. Diese Varianten konnten nunmehr von einer einzelnen Person getragen und bedient werden, wodurch sie sich auch für den Offensivkampf eigneten.

Bibliografie 

Baer, H. Fritz: Die Erzeugung der Handfeuerwaffen in Österreich im 19. Jahrhundert am Beispiel der Firma Werndl in Steyr, in: Foerster, Roland G./Walle Heinrich (Hrsg.): Militär und Technik. Wechselbeziehungen zu Staat, Gesellschaft und Industrie im 19. und 20. Jahrhundert, Herford 1992, 123-160

Ortner, M. Christian: Die k. u. k. Armee und ihr letzter Krieg, Wien 2013

Pfundner, Martin: Austro-Daimler und Steyr. Rivalen bis zur Fusion. Die frühen Jahre des Ferdinand Porsche, Wien/Köln/Weimar 2007

 

Zitate:

"Flott schwärmen die Kompagnien...": Holy, Jaromir: Von Czernowitz bis Iwangorod. Kriegstagebuch eines österreichischen Frontoffiziers, Wien/Leipzig 1916, o.S.

 

Inhalte mit Bezug zu diesem Kapitel

Aspekt

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    Der industrialisierte Krieg

    Der Erste Weltkrieg war ein Krieg des enormen Materialeinsatzes. Die Armeen mit ihren Massenheeren mussten ausgerüstet und versorgt werden. Die Materialschlachten wären ohne die großindustrielle Herstellung von Waffen und anderen kriegsnotwendigen Produkten unmöglich gewesen. Nur durch die gesamtgesellschaftliche Mobilisierung aller zur Verfügung stehenden Ressourcen konnte die riesige Kriegsmaschinerie aufrechterhalten werden.

Personen, Objekte & Ereignisse

  • Objekt

    Gewalterfahrungen

    Während manche der Frontsoldaten das „Stahlbad des Waffenganges“ als Apotheose ihrer eigenen Männlichkeit erfuhren, litt die Mehrheit der Soldaten an ihren körperlichen und/oder psychischen Verletzungen. Die Zerstörungskraft des modernen Maschinenkriegs und die psychischen Belastungen durch das tagelange Ausharren in den Schützengräben, der Lärm des Trommelfeuers und der Anblick schwer verwundeter oder verstümmelter Kameraden produzierte neben physischen „Kriegsversehrten“ auch massenhaft psychische „Kriegsneurotiker“.