Brisante Entdeckungen. Vom Schwarzpulver zu TNT

Wie in anderen Bereichen der Rüstungsindustrie, kam es auch bei den Sprengstoffen und Treibmitteln („Pulvern“) ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu bedeutenden Innovationen. Hier waren es vor allem die synthetischen Explosivstoffe, welche um die Jahrhundertwende das zuvor gängige Schwarzpulver weitgehend ablösten.

Bei den Treibladungspulvern, also den Explosivstoffen zum Abfeuern von Geschossen, gab die von Christian F. Schönbein (1799-1868) im Jahr 1846 entdeckte „Schießbaumwolle“ (Nitrozellulose) den Auftakt für die weiteren Entwicklungen. Nach Schönbeins Entdeckung dauerte es jedoch noch einige Jahre, bis diese chemisch noch instabile Verbindung so weit modifiziert war, dass sie als rauchschwaches Nitrozellulose-Pulver praktische Anwendung fand. Mitte der 1880er Jahre löste das auf Nitrozellulose basierende Treibladungspulver das zuvor gängige Schwarzpulver ab. Die Vorteile der neuen Pulver lagen in ihren besseren ballistischen Eigenschaften und ihrem weitgehend rückstandsfreiem Verbrennen. Im Gegensatz zum Schwarzpulver, das bei Explosion große Mengen an Salzverbindungen freisetzte, verschmutzten die neuen Pulver den Lauf der Schusswaffen nur mehr unwesentlich. Die geringe Rauchentwicklung hatte auch den großen Vorteil, dass in Gefechten der Standort des Schützen nicht sofort ersichtlich war.

Im Jahr 1847, also ein Jahr nach Schönbeins Entdeckung der Nitrozellulose, entwickelte der italienische Chemiker Ascanio Sobrero (1812-1888) den Sprengstoff Nitroglycerin. Das bisher verwendete Schwarzpulver übertraf es durch eine um vieles höhere Sprengwirkung. Es dauerte jedoch noch einige Zeit, bis diese hochbrisante Verbindung ihre praktische und militärische Anwendung fand. Im Falle des Nitroglycerins bestand die anfängliche Problematik insbesondere in seiner Empfindlichkeit gegenüber geringsten Erschütterungen und erhöhter Temperatur, die zu einer Detonation führen konnten. Dies änderte sich im Jahr 1866, als es dem schwedischen Chemiker Alfred Nobel (1833-1896) gelang, den explosionsgefährlichen Sprengstoff in eine handhabbare Form zu bringen: Durch Einbringung des öligen Nitroglycerins in das poröse Sedimentgestein Kieselgur war das von Nobel ein Jahr später patentierte „Dynamit“ erfunden.

Auch in der Folgezeit kam es zu einer Reihe weiterer Entdeckungen im Bereich der brisanten Sprengstoffe. Von militärischer Bedeutung waren insbesondere die seit der Jahrhundertwende verwendeten Sprengstoffe Ammonal, Trinitrophenol (TNP), auch bekannt als Pikrinsäure und Trinitrotoluol (TNT). Diese Stoffe ersetzten das im militärischen Gebrauch zuvor gängige „Dynamit“ und zählten während des Ersten Weltkriegs zu den am meisten verwendeten Mitteln.

In der k. u. k. Armee sollte mit Kriegsbeginn von Ammonal und TNP auf das besser zu verarbeitende und unempfindlichere – und somit in der Handhabung sicherere – TNT umgestellt werden. Da die habsburgische Chemieindustrie darauf jedoch ungenügend vorbereitet war, wurde der Großteil der in Österreich-Ungarn fabrizierten Spreng- und Minengranaten weiterhin mit Ammonal und dem hauptsächlich auf TNP basierenden „Ekrasit“ (TNP) befüllt. Aber auch das günstig und einfach zu produzierende Schwarzpulver fand weiterhin militärische Verwendung. In der Artilleriemunition der Schrapnells trieb es die in den Hohlgeschossen eingegossenen Metallkugeln in Richtung des gegnerischen Zieles.

Bibliografie 

Klapötke, Thomas M.: Chemie der hochenergetischen Materialien, Berlin 2009

Ortner, M. Christian: Die österreichisch-ungarische Artillerie von 1867 bis 1918. Technik, Organisation, Kampfverfahren, Wien 2007

Rosner, Robert W.: Chemie in Österreich 1740-1914. Lehre, Forschung, Industrie, Wien 2004

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Aspekt

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