Eine wirkungsvolle Ergänzung: Handgranaten und Minenwerfer

Handgranaten und Steilfeuergeschütze kamen besonders dann zum Einsatz, wenn der Gegner im Direktbeschuss nicht getroffen werden konnte. Obwohl dieser Einsatzbereich den Militärs bekannt war, begann die industrielle Produktion dieser Waffen in der Habsburgermonarchie erst ein Jahr nach Kriegsbeginn.

Vorformen der modernen Handgranate fanden bereits seit dem Mittelalter eine militärische Verwendung. Dabei handelte es sich um mit Brandmitteln oder Schwarzpulver gefüllte Hohlkörper aus Ton, Glas oder Metall, die über eine Lunte gezündet wurden. Die Entdeckung neuer Sprengstoffe führte Ende des 19. Jahrhunderts zum Ersatz des Schwarzpulvers. Die primitive Luntenzündung wurde vorerst beibehalten.

Die Handgranate bzw. ihre Vorformen fanden schon lange Verwendung. Sie wurden insbesondere dann eingesetzt, wenn der Gegner nicht in direkter Linie beschossen werden konnte. Dies war beispielsweise in den Festungskriegen des 17. Jahrhunderts der Fall, die schon Vorformen des späteren Grabenkriegs darstellten und in denen sich die Sappeure an die verteidigten Festungen herangruben.

Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts führten die voranschreitenden Entwicklungen der Kriegstechnik zu einer Renaissance der Handgranaten. Die immer präzisere und steigende Feuerkraft der Waffen zwang die Soldaten,  sich zum Schutz vor gegnerischem Feuer in den Boden einzugraben. Da man die verschanzten Soldaten im Direktbeschuss nicht mehr treffen konnte, benötigte man Waffen, mit denen man über das Steilfeuer in die gegnerischen Schützengräben eindringen konnte. In diesem Zusammenhang kam auch die Handgranate wieder vermehrt zum Einsatz – so im Krim-Krieg (1853-1856), im Amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865) und insbesondere im russisch-japanischen Krieg (1904-1905).

Auch wenn dies den europäischen Großmächten nicht entgangen sein konnte, kam es in diesem Waffenbereich vorerst zu keinen größeren Anschaffungen und Innovationen bzw. wurde bereits vorhandenes Material im Laufe der Zeit wieder ausgemustert. Dies war der Grund, warum sich die Infanteristen der k. u. k. Armee zu Kriegsbeginn 1914 mit improvisierten Eigenkonstruktionen behelfen mussten. Die industrielle Massenfertigung moderner Handgranaten mit eingebautem Zeit- oder Aufschlagzünder setzte erst 1915 ein. Doch im Grabenkampf erwies sich die Handgranate als unverzichtbar. So hieß es beispielsweise in einem vom k. u. k. Kriegsministerium herausgegebenen „Behelf für die Ausbildung im Handgranatenwerfen“: „Einem im Schützengraben sehr gut gedeckten Gegner ist im Nahangriffe mit dem Gewehr […] wegen der großen Rasanz der Flugbahn und weil das Geschoß die Erdwehren […] nicht durchschlagen kann, nur schwer beizukommen. […] So ist die Handgranate, die bei steilem Wurfe die dem Geschoß sich entgegenstellenden Hindernisse umgeht, am besten geeignet, den im Schützengraben befindlichen Gegner außer Gefecht zu setzen. […] Daher verschiebt sich im Schützengrabenkampf der Schwerpunkt vom Gewehr […] auf die Handgranate.

Da die Handgranaten lediglich durch Körperkraft ins feindliche Gebiet geschleudert werden konnten, waren ihrem Einsatzradius und der eingebrachten Sprengladung Grenzen gesetzt. Da die österreichisch-ungarische Rüstungsindustrie bisher keine Granat- bzw. Minenwerfer entwickelt hatte, kompensierten die Soldaten das Fehlen dieser leichten Steilfeuergeschütze, indem sie improvisierte Granatwerfer bauten. Im Verlauf des Krieges lieferte die Industrie dann diese unverzichtbaren Geschütze nach: Mit dem „leichten Minenwerfer“ konnten 1 bis 2 kg schwere Sprengbüchsen auf 500 Meter, mit dem „mittleren Minenwerfer“ etwa 20 kg schwere Sprengladungen auf 600 Meter geschossen werden. Zu diesen für die Infanterie entwickelten Minenwerfern konnte man in einem vom k. u. k. Armeeoberkommando herausgegebenen Bericht über die bisherigen Erfahrungen im Stellungskampf lesen: „Die Minenwerfer bilden eine sehr wichtige und wirkungsvolle Ergänzung der Artillerie. Sie müssen überall dort verwendet werden, wo stärkste Wirkung erzielt werden soll. […] Die Minenwerfer legen ihr Feuer auf diejenige Stelle naher feindlicher Gräben, die erschüttert werden sollen, während die Artillerie Feuerriegel beiderseits dieser Stellen und dahinter schafft.

Bibliografie 

Craig, Philip: Enzyklopädie der Handfeuerwaffen, Köln 1995

Feldbauer, Franz: Die Glas-Handgranaten der Grenadiere der Fürsten Esterhazy im Zeughaus der Burg Forchtenstein, in: Zeitschrift der Gesellschaft für Historische Waffen- und Kostümkunde (Nr. 50) 2012, 181-220

Ortner, M. Christian: Die k. u. k. Armee und ihr letzter Krieg, Wien 2013

 

Zitate:

"Einem im Schützengraben...": Behelf für die Ausbildung im Handgranatenwerfen, K. u. k. Kriegsministerium, Abt.5 (Hrsg.), Nr.7000/17, Wien 1917, o.S; online unter: http://heeresgeschichten.at/infanterie/handgranate_ausbildung/handgranat... (18.6.2014)

„Die Minenwerfer bilden eine...": Erfahrungen der Armeegruppe v. Eben im Stellungskampf. Ia Gruppe 334, K. u. k. Armeeoberkomando, Op.Br.: 32.698, Wien 1916, o.S; online unter: http://heeresgeschichten.at/infanterie/voneben/erfahrungen_von_eben.pdf (18.6.2014)

 

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