Der Mechanismus der Kriegsfinanzierung

Nicht nur für die Auslösung inflationärer Prozesse, auch für das Funktionieren und die langfristigen Folgen einer Kriegswirtschaft ist es nicht gleichgültig, welche Art der Mittelaufbringung im Vordergrund steht.

Grundsätzlich gibt es drei Formen der Kriegsfinanzierung: 1. Ein reicher Staat kann die Ausgaben für einen Krieg zumindest partiell durch Steuererhöhungen beschaffen. In den USA und in Großbritannien wurden die Kriegskosten im Ersten Weltkrieg zu je einem Viertel durch Steuererhöhungen aufgebracht. In Österreich war der Beitrag der Steuern zur Finanzierung der Kriegsausgaben gleich Null. 2. Durch Kriegsanleihen können die Kosten eines Krieges über viele Jahre, ja, über Generationen verteilt werden.  Die Laufzeiten der österreichischen Kriegsanleihen waren unterschiedlich; bei der ersten Anleihe vom November 1914 betrug die Rückzahlungsfrist wenige Jahre; bei der achten und letzten Anleihe, die von Mai bis Juli 1918 zur Zeichnung aufgelegt wurde, war ein Tilgungszeitraum von 1924 bis 1958 vorgesehen, d.h., die Kriegsanleihe wäre bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zu bedienen gewesen. 3. Der einfachste, aber auf lange Sicht problematischste Weg der Kriegsfinanzierung, der auch wirtschaftlich schwachen Staaten offensteht, besteht in der direkten Verschuldung des Staates bei der Notenbank. Er führt unmittelbar in die Inflation.

Dieser Weg wurde im Ersten Weltkrieg im Deutschen Reich und in Österreich-Ungarn eingeschlagen. In beiden Ländern wurden die Kriegskosten zu ca. 60 % durch Kriegsanleihen und zu 40 % durch Kredite bei der Notenbank aufgebracht. Die Konsequenzen dieser Finanzierungsmethode wurden dadurch verschlimmert, dass der Abschöpfungseffekt der Kriegsanleihen neutralisiert wurde, indem die Anleihestücke bei der Österreichisch-Ungarischen Bank in Lombard gegeben werden konnten, also den Geldumlauf wieder vermehrten und so das Inflationspotenzial vergrößerten.

Wer zeichnete überhaupt Kriegsanleihen? Bei der ersten war der Anteil der privaten Investoren noch hoch; danach mussten die institutionellen Zeichner (Banken, Versicherungen und Industrieunternehmen) immer stärker einspringen. „National“ betrachtet zeichneten (deutsch)-österreichische Anleger mehr als die tschechischen Landesteile. Von den nominell 35 Mrd. Kronen, die in Cisleithanien gezeichnet wurden, entfielen etwa 24 Mrd. auf das Gebiet der späteren Republik Österreich.

Bibliografie 

März, Eduard: Österreichische Bankpolitik in der Zeit der großen Wende 1913–1923, Wien 1981

Sandgruber, Roman: Ökonomie und Politik. Österreichische Wirtschaftsgeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Wien 1995

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