Die finanziellen Folgen des Krieges für die neue Republik

Das berühmte Diktum Georges Clemenceaus „Autriche c'est ce que reste“ („Österreich ist das, was übrigbleibt") bezog sich auf den Zerfall der Donaumonarchie am Ende des Ersten Weltkriegs. Der Satz kann aber auch so gelesen werden: Zum Erbe der Monarchie zählte, was an Schulden auf die Republik Österreich entfiel.

Eine der Folgen der Friedensverträge von 1919 war, dass Österreich – ebenso wie Ungarn – einen Großteil der alten Staatsschulden der Monarchie zu übernehmen hatte. Dies verschärfte die ohnehin vorhandenen wirtschaftlichen Probleme: Das neue Österreich war im emphatischen Sinn keine 'Volkswirtschaft', weil viele Unternehmen mehr mit dem „Neuausland“ (den Nachfolgestaaten) verbunden als auf eine Kooperation mit den anderen Teilen der österreichischen Wirtschaft ausgerichtet waren.

Auch der Wertverlust der österreichischen Krone auf den Devisenmärkten im Jahr 1919 im Umfeld der Währungstrennung kann als Symptom des Zerfalls der Monarchie gewertet werden. Er sei, schrieb Otto Bauer in seinem berühmten Buch „Die österreichische Revolution", die unvermeidliche Folge der Tatsache gewesen, „daß der Wert der österreichischen Krone nicht mehr auf die fruchtbaren Ebenen, die Kohlen- und Rohöllager, die Industrie- und Hafenanlagen des alten großen Wirtschaftsgebietes, sondern nur noch auf die Armut des deutsch-österreichischen Wirtschaftsgebietes basiert war“.

Zum Erbe der Monarchie zählte auch die Fortdauer der Inflation. Diese bewegte sich bis zum Sommer 1921 in den aus dem Krieg bekannten Dimensionen (100 % pro Jahr). Ursache dafür war das weitere Anwachsen des staatlichen Defizits, nun aber für andere, 'soziale' Zwecke, insbesondere die Subventionierung der Lebensmittelimporte. Im zweiten Halbjahr 1921 deckten die Staatseinnahmen nur mehr 36 % der Ausgaben.

Zum Mechanismus der Kriegsinflation trat ein neuer dazu, zur 'hausgemachten' gesellte sich die importierte Inflation (die Verteuerung der Einfuhr wegen des fallenden Kronenkurses). Und diese wiederum wirkte wegen der Subventionierung der Lebensmittel direkt auf das staatliche Defizit zurück. Dennoch hatte die Inflation auch ihre 'guten' Seiten: Die Entwertung der Krone setzte nach Lösung der unmittelbaren Probleme der Nachkriegszeit, wie des Kohlenmangels, auch die wirtschaftliche Aktivität wieder in Gang.

Ende 1921 wurde das letzte und desaströse Stadium der Hyperinflation erreicht. Zwischen August und Dezember 1921 erhöhte sich der Index der Lebenshaltungskosten (Juli 1914 = 1) von 124 auf 661; im August 1922 schließlich stiegen die Preise um 124 Prozent, der Außenwert der Krone sank um 113 Prozent. Am Ende der Inflationsperiode waren die Preise gegenüber der Vorkriegszeit um mehr als das 14.000fache gestiegen, der Außenwert der Krone gegenüber dem US-Dollar war in ungefähr dem gleichen Ausmaß gefallen.

Mit der Währungsreform von 1924 (Umtausch von Kronen in Schillinge im Verhältnis 10.000 Kr zu 1 S) und der Bereinigung der inflationsverzerrten Rechnungsabschlüsse der Unternehmen durch die Aufstellung von Goldbilanzen wurde ein zumindest buchhalterischer Schlussstrich unter die Inflationsperiode gezogen.

Bibliografie 

Bachinger, Karl/Matis, Herbert: Der Österreichische Schilling. Geschichte einer Währung, Graz 1974

Kernbauer, Hans: Währungspolitik in der Zwischenkriegszeit. Geschichte der Oesterreichischen Nationalbank von 1923 bis 1938, Wien 1991

Weber, Fritz: Zusammenbruch, Inflation und Hyperinflation. Zur politischen Geldentwertung in Österreich 1918 bis 1922, in: Konrad, Helmut/Maderthaner, Wolfgang (Hrsg.): ... der Rest ist Österreich. Das Werden der Ersten Republik, Band II, Wien 2008, 7-32

Zitate:

„daß der Wert der österreichischen Krone …“: Bauer, Otto: Die österreichische Revolution, in: Bauer, Otto: Werkausgabe, Band 2, Wien 1976, 748

Inhalte mit Bezug zu diesem Kapitel

Aspekt

  • Aspekt

    Nach dem Krieg

    Mit dem Ersten Weltkrieg ging das „lange 19. Jahrhundert“ zu Ende. An die Stelle der monarchischen Imperien traten neue politische Player. Die k. u. k. Monarchie zerfiel in einzelne Nationalstaaten. Im November 1918 wurde die Republik Deutschösterreich proklamiert, im Oktober 1920 Österreich als Bundesstaat errichtet. Die Jahre nach dem Krieg waren überaus bewegt: Sie changierten in einem Spannungsverhältnis von Aufbruch und Niederlage, zwischen politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Errungenschaften und Rückschlägen.

Erinnerungen