Die kriegsbedingte Inflation in Österreich

Während des Ersten Weltkrieges führte das Zusammenwirken von öffentlicher Verschuldung, steigendem Geldumlauf und einer starken Steigerung der Nachfrage nach Rüstungsgütern zusammen mit einer Verknappung des Lebensmittelangebots rasch zur Inflation.

Die inflationären Erscheinungen zeigten sich zuerst auf dem Gebiet der Rüstung und bei den Nahrungsmitteln. Ende 1914 griff die Inflation infolge der kriegsbedingten Vollbeschäftigung und der vermehrten Ausnutzung der Produktionskapazitäten auf nahezu alle Bereiche der Volkswirtschaft über. Die Preissteigerungen konnten sich umso leichter entfalten, als Preiskontrollen erst verhältnismäßig spät eingeführt wurden.

Es ist klar, dass das starke Anwachsen der Geldmenge zur Inflation führen musste. Dass man dem Phänomen der Kriegsinflation jedoch nicht mit mechanistischer, unilinearer Interpretation begegnen darf, zeigt die Gegenüberstellung von Geldvermehrung und Preissteigerung. In manchen Perioden fiel die Preissteigerung höher aus als die Ausweitung der Geldmenge. In anderen – z.B. im zweiten Halbjahr 1917 – war es genau umgekehrt. (Hierbei wird bei der Inflationsrate auf den amtlichen Preisindex ohne Wohnungskosten rekurriert, weil dieser die Preissteigerung genauer abbildet; die Mieten für Kleinwohnungen wurden 1917 größtenteils für die Dauer des Krieges eingefroren.)

Insgesamt konnten die Preise nur deshalb so stark steigen, weil die durch die steigende Geldmenge gegebene Disposition durch die stark wachsende Nachfrage bei gleichzeitiger Verknappung des Warenangebots in eine reale Preissteigerung überführt wurde. Die Inflation war in Österreich höher als in den meisten anderen kriegführenden Ländern. Zwischen 1914 und 1918 verdoppelten sich die Großhandelspreise im Deutschen Reich, in Großbritannien und in den USA; in Frankreich verdreifachten, in Italien vervierfachten sie sich. Für Österreich (im Sinne von CisIeithanien) liegt kein verlässlicher Großhandelspreisindex vor, doch kann man davon ausgehen, dass die Steigerungsrate höher ausfiel als in Italien.

Die tieferen Ursachen für die besondere Inflationsanfälligkeit Österreichs sind – neben den mangelnden Preiskontrollen – in der niedrigen Produktivität der Industrie zu suchen. Ein moderner „industrieller“ Krieg bedeutete einen beträchtlichen ökonomischen Substanzverzehr, durch den die finanziellen Mittel, die in „normalen“ Zeiten für Investitionen genutzt worden wären, für die Finanzierung des Krieges verwendet werden mussten, d.h. für eine alternative Form der Konsumtion. Ein beträchtlicher Teil des Volkseinkommens wurde so im wahren Sinn des Wortes „verpulvert“. Die getätigten Investitionen gingen ausschließlich in den Rüstungssektor.

Bibliografie 

März, Eduard: Österreichische Bankpolitik in der Zeit der großen Wende 1913–1923, Wien 1981

Suppanz, Christian: Die österreichische Inflation 1918–1922 (Forschungsbericht Nr. 111 des Instituts für Höhere Studien), Wien November 1976

Inhalte mit Bezug zu diesem Kapitel

Aspekt

Personen, Objekte & Ereignisse

  • Objekt

    Mangel und Elend

    Als im Jänner 1915 die Bevölkerung auf ausbleibende Brot- und Mehllieferungen mit Panikkäufen reagierte, führte die Kriegs-Getreide-Verkehrsanstalt das Bezugskartensystem ein. Pro-Kopf-Quoten wurden festgesetzt und über Brot- und Mehlkarten verteilt. Doch selbst die zugewiesenen Rationen konnten angesichts der Krise immer seltener ausgegeben werden und die Papierscheine erwiesen sich als wertlos.

Erinnerungen