Ausmaß, Verlauf und Auswirkung der Inflation 1914 bis 1918

Das Ausmaß der Inflation im Krieg war enorm: Die Preise stiegen um durchschnittlich 100 % pro Jahr oder insgesamt auf das 16fache. Dennoch kann man in dieser Zeit (noch) nicht von einer Hyperinflation sprechen.

Schon vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges war Österreich von dem Phänomen der „Teuerung“ geplagt gewesen. Während des Kriegs ging diese moderate Geldentwertung in das Stadium einer galoppierenden Inflation über. Aber erst am Ende der Inflationsperiode im Jahr 1922 wurden Werte erreicht, die es angemessen erscheinen lassen, von einer Hyperinflation zu sprechen. Es gibt verschiedene Definitionen von Hyperinflation. Nach Phillip Kagan liegt eine Hyperinflation vor, wenn die Preissteigerungsrate im Monat mehr als 100 % beträgt. Dies entspricht 13.000 % im Jahr.

Aber selbst eine relativ hohe Inflationsrate muss nicht unbedingt nur negative Auswirkungen haben. Diese stellen sich in der Regel erst nach einer langen Dauer der Geldentwertung ein. Ein Nebeneffekt der Inflation besteht zum Beispiel im Auftreten einer großen Geldflüssigkeit als Folge von höheren Gewinnen. Vor allem rüstungsnahe Unternehmen vermochten sich daher in den ersten Kriegsjahren gegenüber den Banken zu entschulden. Dies wiederum führte dazu, dass die Kreditinstitute umso eher bereit waren, dieses Geld mangels alternativer Anlagemöglichkeiten dem Staat in Form von Kriegsanleihe-Zeichnungen zur Verfügung zu stellen. Die Banken waren die größten Zeichner der Kriegsanleihen, gefolgt von Industrieunternehmen. Privatpersonen spielten hingegen nur anfangs eine essenzielle Rolle.

Auch das Entstehen einer neuen Schicht von Unternehmer-Spekulanten, die sehr bald große Reichtümer akkumulierten, ging mit der Kriegswirtschaft einher. Der Aufstieg Camillo Castiglionis, Siegfried Bosels und anderer nouveaux riches war aufs Engste mit dem Ersten Weltkrieg verbunden. Reichliche Gewinne flossen nicht nur aus dem direkten Rüstungsgeschäft, sondern auch aus anderen Lieferungen an die Armee, wie z.B. Uniformen, Proviant und Bier, das gekühlt an die Front gebracht wurde. Die Zur-Schau-Stellung des Reichtums machte bald böses Blut und schürte antisemitische Ressentiments, die sich auch die Politik zunutze machte. Indirekt zu ersehen ist die Umschichtung der Vermögen aus der Sonderkonjunktur der Luxusindustrie; so erzeugte die Damenputzwaren-Industrie in Wien 1917 um 50 % und im ersten Halbjahr 1918 um 75 % mehr als 1914.

Zu den Kriegsgewinnern zählte auch die Landwirtschaft, nicht nur aufgrund der steigenden Lebensmittelpreise und der Möglichkeit, Waren am Schwarzmarkt abzusetzen, sondern weil wegen der Geldentwertung alte Schulden in entwertetem Geld zurückgezahlt werden konnten.

Es gab aber auch ausgesprochene Inflationsverlierer. Zu diesen zählten neben den Lohnempfängern alle Bezieher fixer Einkommen, insbesondere breite Schichten der Beamtenschaft oder Rentner. Auch in Bezug auf die Einkommensverteilung setzte der Krieg einen Prozess in Gang, der sich nach dem Oktober/November 1918 weiter fortsetzte. Inwiefern der Inflationsprozess darüber hinaus den Anstoß für eine Entwicklung gab, die eine über den Krieg hinausweisende Investitionstätigkeit implizierte, wurde noch nicht hinreichend untersucht.

Generell kann man sagen, dass aufgrund der zunehmenden Verknappung der Ressourcen der Inflationsdruck mit der Fortdauer des Krieges zunahm und dass Investitionen eine Möglichkeit darstellten, der Geldentwertung zu entgehen.

Bibliografie 

Kagan, Phillip: The Monetary Dynamics of Hyperinflation, in: Friedman, Milton (Hrsg.): Studies in the Quantity Theory of Money, Chicago 1956

März, Eduard: Österreichische Bankpolitik in der Zeit der großen Wende 1913–1923, Wien 1981

Suppanz, Christian: Die österreichische Inflation 1918–1922 (Forschungsbericht Nr. 111 des Instituts für Höhere Studien), Wien November 1976

Inhalte mit Bezug zu diesem Kapitel

Aspekt

Personen, Objekte & Ereignisse

  • Objekt

    Mangel und Elend

    Als im Jänner 1915 die Bevölkerung auf ausbleibende Brot- und Mehllieferungen mit Panikkäufen reagierte, führte die Kriegs-Getreide-Verkehrsanstalt das Bezugskartensystem ein. Pro-Kopf-Quoten wurden festgesetzt und über Brot- und Mehlkarten verteilt. Doch selbst die zugewiesenen Rationen konnten angesichts der Krise immer seltener ausgegeben werden und die Papierscheine erwiesen sich als wertlos.

Entwicklungen

  • Entwicklung

    Antisemitismus

    Um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert wurde der Antisemitismus zur politischen Bewegung, die den Judenhass zum ideologischen Programm und zur Richtschnur für politische Aktionen erhob. Dahinter verbarg sich eine Ideologie, die Juden und Jüdinnen als „die Anderen“ stigmatisierte und als eine die Gesellschaft bedrohende Gefahr inszenierte. Während des Ersten Weltkrieges führte der „innere Burgfrieden“ zunächst zu einem Abflauen der antisemitischen Hetze, doch der ungünstige Kriegsverlauf förderte die antisemitische Ausschlusspolitik.

Erinnerungen