Vor dem Ersten Weltkrieg waren Denkmäler im militärischen Kontext ausschließlich hochgestellten Persönlichkeiten wie Feldherren und Generälen vorbehalten. Mit dem Krieg erfolgte hier ein Paradigmenwechsel: Nun wollte man mit Denkmälern auch an die „einfachen“ Soldaten erinnern und sie damit „ehren“. Den gefallenen Soldaten des Ersten (und später auch des Zweiten) Weltkriegs wurden Kriegerdenkmäler in vielen, auch sehr kleinen Ortschaften gewidmet.
Voraussetzung für die Errichtung von Kriegerdenkmälern war der bürgerliche Denkmalkult des 19. Jahrhunderts, in dem nicht nur mehr „große“ Feldherren denkmalwürdig waren, sondern auch zunehmend „der Bürger in Uniform“. Außerdem trug der erstarkende Nationalismus zu einem völkisch geprägten Denkmaltypus bei, der als identitätsbildendes politisches Manifest und zugleich durch seine künstlerische Gestaltung als Zeugnis kultureller Leistungen dienen sollte. Die Kriegerdenkmäler des Ersten Weltkriegs hatten zudem propagandistischen Wert, denn durch die Inschriften erfuhren die Hinterbliebenen, wofür die Soldaten ihr Leben gelassen hatten, nämlich für den Kaiser und fürs Vaterland.
Da das Massensterben auf den Schlachtfeldern nicht mehr fass- und erfassbar war und der technisierte Krieg nicht identifizierbare Leichen hinterließ, schuf man einen neuen Denkmaltypus, jenen des „Unbekannten Soldaten“. Thomas Kahler führt dazu an, dass nicht nachvollziehbar sei, wo und wann dieser Typus zum ersten Mal im europäischen Raum errichtet wurde. „Prominente“ Beispiele finden sich in England und Frankreich ab 1919.
Als Kontrast zu den Schreckensbildern aus der Kriegsrealität war ein zentrales Motiv vieler Denkmaldarstellungen ein nicht benannter Soldat in Heldenpose, in Österreich mit einer k. u. k. Uniform bekleidet. Der „Bedarf“ an Denkmälern wurde bereits nach wenigen Monaten so groß, dass 1915 auf Initiative des k. k. Gewerbeförderungsamtes die Künstler Josef Hoffmann, Franz Barwig und Oskar Strnad mit ihren Schülern an der Kunstgewerbeschule des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie Skizzen für Kriegerdenkmäler entwarfen und in einem Buch, „Soldatengräber und Kriegsdenkmale“ publizierten, das an die Gemeinden verteilt wurde. Darin unterschied der Architekt Strnad in der Funktion und Formensprache zwischen einem Grab, das dem individuellen Totengedenken gewidmet war, und einem Kriegerdenkmal, das „eine Einheit von visuellem Gehalt und emotionalem Wert vermitteln [sollte]. Seine schlichte, prägnante architektonische Form sollte Dauerhaftigkeit garantieren und einen würdevollen Charakter gewährleisten.“
Schon im Ersten Weltkrieg brachte man in den Gemeinden oftmals die Namen der Toten an den Kriegerdenkmälern an. Nach 1945 kamen vielfach die Namen der Gefallenen des Zweiten Weltkriegs dazu.
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs stilisierten diese Denkmäler die Soldaten zuweilen auch als Opfer und enthielten eine explizite Friedensbotschaft. Das sozialdemokratische Wien errichtete 1925 das von Anton Hanak gestaltete Kriegerdenkmal der Stadt Wien am Zentralfriedhof. Es war als „Gegenentwurf zum Heldengedenken des christlich-sozialen wie auch des deutschnationalen Lagers“ gedacht: „Es will keine Verherrlichung des Krieges sein, in irgendeiner falsch gesehenen männlichen Heldengestalt zum Ausdruck gebracht, es will kein Zeichen der Rache und Vergeltung sein, wie es schlechter Patriotismus da und dort aufstellt (...). Ein Trauermal ist es, ein Versöhnungsmal, das auch noch den Enkeln sagt: Das war der furchtbare Krieg, unter dem die Menschheit zusammenbrach.“ Auch dieses Denkmal war nach der Errichtung – ähnlich wie das Republikdenkmal – Gegenstand von ideologischen Auseinandersetzungen zwischen den politischen Lagern der Ersten Republik. In den 1930er Jahren wurde die ursprüngliche Inschrift „Nie wieder Krieg“ durch „Herr, gib uns den Frieden“ ersetzt.
Bemerkenswert ist auch ein frühes Werk des Bildhauers Fritz Wotruba. 1932 schuf er ein Anti-Kriegsdenkmal für den Friedhof in Leoben-Donauwitz. In sieben Blöcken ist Wotrubas Friedensbotschaft eingemeißelt: „Mensch verdamme den Krieg. Den Opfern 1914–1918. Errichtet vom Landesverband der Kriegsgeschädigten der Ortsgr. Leoben u. (von) Arbeitslosen“. Der obere Teil der Inschrift wurde 1934 entfernt. 1938 demontierten die Nationalsozialisten das Denkmal, ohne es jedoch zu zerstören. Erst 1988 wurde es als „Friedensdenkmal“ wieder errichtet.
Giller Joachim/Mader, Hubert/Seidl, Christina: Wo sind sie geblieben...? Kriegerdenkmäler und Gefallenenehrung in Österreich, Wien 1992
Kahler, Thomas: „Gefallen auf dem Feld der Ehre ...“ Kriegerdenkmäler für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs in Österreich unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung in Salzburg bis 1938, in: Riesenfellner, Stefan (Hrsg.): Steinernes Bewußtsein I. Die öffentliche Repräsentation staatlicher und nationaler Identität Österreichs in seinen Denkmälern, Wien/Köln/Weimar 1998, 365–410
Riesenfellner, Stefan/Uhl, Heidemarie: Denkmäler lesen. Anregungen zur Interpretation von Krieger- und Opferdenkmälern, in: Bundesministerium für Unterricht und Kunst: Denkmal und Erinnerung. Anregungen für Schülerinnen und Schülerprojekte, Wien 1993
Uhl, Heidemarie: Das Kriegerdenkmal der Stadt Wien (1925) und die Deutungskonkurrenzen um das Gefallenengedenken in der Ersten Republik, (im Erscheinen, 2014)
Zitate:
„das Kriegerdenkmal (...) eine Einheit ...“: in: Kahler, Thomas: „Gefallen auf dem Feld der Ehre ...“ Kriegerdenkmäler für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs in Österreich unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung in Salzburg bis 1938, in: Riesenfellner, Stefan (Hrsg.): Steinernes Bewußtsein I. Die öffentliche Repräsentation staatlicher und nationaler Identität Österreichs in seinen Denkmälern, Wien/Köln/Weimar 1998, 365–410, hier: 370
„Gegenentwurf zum Heldengedenken ...“: Uhl, Heidemarie: Das Kriegerdenkmal der Stadt Wien (1925) und die Deutungskonkurrenzen um das Gefallenengedenken in der Ersten Republik, (im Erscheinen, 2014)
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Kapitel
- Der Erste Weltkrieg als „Erinnerungsort“
- Der Erste Weltkrieg als „Urkatastrophe“ – Narrative I
- Vom „Pulverfass“ zum „Weltenbrand“ – Narrative II
- „Lorbeer den des Lorbeers würdigen Soldaten“ – das Äußere Burgtor wird zum Heldendenkmal
- Der „Siegfriedskopf“ in der Wiener Universität
- Der „einfache“ Soldat wird zum Held
- Erinnerungstourismus: Reisen zu den Kriegsschauplätzen