Kriegsknigge aus dem Bienenstock: "Die Biene Maja" als Soldatenbestseller

Als 1976 Die Biene Maja als Zeichentrickfilmfigur über die Fernsehbildschirme flog und Karel Gott seinen später zum Schlager avancierten Titelsong dazu beisteuerte, trat Waldemar Bonsels berühmteste literarische Figur zum zweiten Mal einen Siegeszug im deutschsprachigen Raum an. Dass Bonsels’ Buch im Ersten Weltkrieg zur „klassischen“ Frontliteratur zählte, ist heute weitgehend unbekannt.

Bonsels, ein mäßig erfolgreicher Bohemien aus München, publizierte 1912 das Kinderbuch Die Biene Maja und ihre Abenteuer, das im Laufe des Ersten Weltkriegs zum veritablen Bestseller wurde und sich bis 1918 90.000 Mal verkaufte (und dem Autor zu beträchtlichem Wohlstand verhalf). Das Kinderbuch – das mag aus heutiger Sicht erstaunen – gehörte als Feldausgabe zur Lieblingslektüre der deutschen Soldaten.

Die Biene Maja stellt eine Mischung aus Naturbeschreibung und Märchen in einer Vernetzung von richtigen und falschen biologischen Merkmalen dar: Maja hat eine Erzieherin, die sie die grundsätzlichen Tugenden einer Biene lehrt, darunter jene, gegenüber Insekten „höflich und gefällig“ zu sein – mit zwei Ausnahmen: Gegenüber „den mächtigsten und bösesten“ Erbfeinden, den Hornissen und dem „unnützen Räubervolk ohne Heimat und Glauben“, den Wespen, sei es erlaubt, den Stachel einzusetzen. Mit Anstandsregeln und eindeutigem Freund-Feind-Schema ausgerüstet, verlässt Maja ihren heimatlichen Bienenstock, begegnet dem freundlich gesinnten Rosenkäfer (der sie belehrt, beim Essen nicht zu sprechen), und dem Mistkäfer, der sich unglücklich in die Grille verliebt und die Lehre daraus ziehen kann, dass es nicht günstig ist, sich auf artfremde Wesen zu fixieren. Sie gerät ins Netz der Spinne Thekla, aus dem sie vom altruistischen Freund, dem Mistkäfer, befreit wird und trifft auf den Weberknecht, der ein Bein opfern muss, um zu überleben. Im romantischen Höhepunkt der Geschichte sieht Maja ein menschliches Liebespaar: „Nun habe ich das Herrlichste gesehen (...) was meine Augen jemals schauen werden. Ich weiß nun, daß die Menschen am schönsten sind, wenn sie einander liebhaben.“ Am Schluss gerät Maja in die Gefangenschaft der Hornissen. Dort belauscht sie deren Angriffsplan auf ihr Volk. Sie kann fliehen und ihren Stamm warnen. Bonsels Schlusskapitel, „Die Schlacht der Bienen und Hornissen“, verlässt vollends den Boden der biologischen Tatsachen und wird zum ideologischen Kampf. Obwohl Bienenköniginnen in der Natur keine Führungsrolle im Bienenstock haben, weist Bonsels Helene die Achte Züge des deutschen Kaisers Wilhelm II. auf. Sie regiert hart aber gerecht, als Oberbefehlshaberin ermuntert sie ihre treue Gefolgschaft mit der Parole: „Im Namen des ewigen Rechts und im Namen der Königin, verteidigt das Reich!“

Die Schlacht endet mit vielen Toten auf beiden Seiten, ein junger Bienenoffizier stirbt, „sein kühner Soldatentod hatte allen die wilde Seligkeit einer hohen Todesbereitschaft ins Herz gesenkt“. Doch Maja zeigt auch ihre christlich orientierte Feindesliebe, indem sie sich zu einem sterbenden Hornissenoffizier schleicht, um ihn mit Wasser und Honig zu laben. Die Bienen siegen, Maja erhält durch die Königin allerhöchste Ehren und wird zur Beraterin für die Staatsgeschäfte befördert.

Bonsels hinterlässt mit seinem Werk eine Verherrlichung des Bienenstaats, den er, dem Trend der wilhelminischen Zeit folgend, als monarchisch-imperialistisch, national-martialisch schildert und mit sozialdarwinistisch und rassistisch gefärbten Tönen unterlegt.

Bonsels dubiose Rolle während der Zeit des Nationalsozialismus trug ihm nach 1945 ein Publikationsverbot ein. Er starb 1952; aus seinem literarischen Schaffen ist nur Die Biene Maja in Erinnerung geblieben.

Bibliografie 

Bonsels, Waldemar: Die Biene Maja und ihre Abenteuer. Unter: http://www.gutenberg.org/ebooks/21021 (21.06.2014)

Daumer, Karl: Die Biene Maja aus biowissenschaftlicher Sicht, in: Hanuschek, Sven (Hg.): Waldemar Bonsels. Karrierestrategien eines Erfolgsschriftstellers, Wiesbaden 2012, 57-66

Hermes, Stefan: Zur Konstruktion kultureller Grenzen in Waldemar Bonsels’ Die Biene Maja (1912) und Indienfahrt (1916), in: Zeitschrift für Interkulturelle Germanistik 3 (2012), H. 1, 77-98

Weiß, Harald: Waldemar Bonsels’ literarischer Beitrag zum Ersten Weltkrieg, in: Claudia Glunz,Thomas F. Schneider (Hg.): Literarische Verarbeitungen des Krieges vom 17. bis zum 20. Jahrhundert, 47-60

 

Zitate:

Bonsels, Waldemar: Die Biene Maja und ihre Abenteuer. Unter: http://www.gutenberg.org/ebooks/21021 (21.06.2014)

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