Nationalheld für die Ewigkeit
"Eugens letzte Tage und der Löwe im Belvedere ... der König von Frankreich, den er so oft besiegt hatte, verehrte ihm einen afrikanischen Löwen ... endlich kamen drei Tage, wo der Löwe seinen Herrn nicht mehr sah, er verweigerte alles Fressen und lief unruhig im Käfig auf und nieder ... gegen drei Uhr morgens stieß er ein solches Gebrüll aus, daß der Tierwärter hinauslief in die Menagerie um nachzusehen. Da sah er Lichter in allen Zimmern des Schlosses, zugleich hörte er in der Kapelle das Sterbeglöcklein und so wußte er, daß sein Herr, der große Prinz Eugen, zu eben dieser Stunde gestorben war."
Historische Persönlichkeiten dienen seit jeher als Projektionsfläche für – zumeist – idealisierende Darstellungen von Staaten und Bevölkerungsgruppen. In Kriegszeiten sind es naturgemäß vorzugsweise siegreiche militärische Führungsfiguren aus der Vergangenheit, die zu propagandistischen Zwecken herangezogen werden. In Österreich war es Prinz Eugen von Savoyen, dem während des Ersten Weltkriegs in Essays, Gedichten und auch in der Kinderliteratur gehuldigt wurde.
Dass Eugen aus dem Kriegsgegnerland Frankreich stammte und er seinen im historischen Gedächtnis Österreichs wichtigsten militärischen Triumph ausgerechnet gegen die kriegsverbündeten Türken gefeiert hatte, tat dem Kult um ihn keinen Abbruch. Besonders Hugo von Hofmannsthal zeigte sich vom wohl bekanntesten Feldherrn der österreichischen Geschichte tief beeindruckt. In der Weihnachtsbeilage der Neuen Freien Presse 1914 würdigte er dessen Verdienste in Worte zum Gedächtnis des Prinzen Eugen, dem er die Gabe zusprach, unerschöpfliche Hoffnung in dieser Zeit zu geben: „[U]nsäglich viel aber vermag ein Mann, und immer wieder, im gemessenen Abstand, ruft ja die Vorsehung den Mann herbei, von dem das Gewaltige verlangt wird und der dem Gewaltigen gewachsen ist.“
Hofmannsthal beklagte, es gäbe für Kinder zu wenig Literatur über große Figuren der Geschichte und da „[d]ie Heranwachsenden und nicht nur sie, in der Liebe zum Vaterland nicht bestehen [können] ohne die Legende“ veröffentlichte er 1915 sein illustriertes Kinderbuch Prinz Eugen der edle Ritter. Sein Leben in Bildern. Ausgehend von historischen Quellen beschreibt er darin Ludwig XIV., der Eugens Talent nicht erkennt und diesen vom Hof weist. Als glückliche Fügung der Geschichte agiert der österreichische Kaiser Leopold weitsichtiger und stellt Prinz Eugen, ein Vorbild an Selbstdisziplin, in seine Dienste. Auch das Bündnis Österreichs mit Deutschland wird positiv hervorgehoben, da Prinz Eugen schon früh erkennt, dass das deutsche Übel in der Zersplitterung der deutschen Länder zu suchen ist. Nach Hofmannsthal sei die Rettung Österreichs vornehmlich dem Mut und den hervorragenden militärischen Leistungen Eugens zu verdanken. Sein Sieg über die Türken habe deren Macht „für immer gebrochen, so wie es in den heutigen Tagen durch Gottes Hilfe mit der neuen halbasiatischen Großmacht, den Russen, geschehen ist, und, wie wir hoffen wollen, auf ewige Zeiten“. Damit gibt er auch eine eindeutige Wertung über seine Sicht des Ersten Weltkriegs und die zentrale Rolle des Bündnisses zwischen dem Deutschen Kaiserreich und der Donaumonarchie ab.
Am Ende des Buches übertitelt Hofmannsthal das bekannte Lied über Prinz Eugen mit „Prinz Eugens Geist ist immer dort, wo unsere Soldaten fechten und siegen.“ Eugens Handeln wird hier unverhohlen zum Vorbild und Auftrag für die Soldaten des Ersten Weltkriegs.
Hiebler, Heinz: Hugo von Hofmannsthal und die Medienkultur der Moderne, Würzburg 2003
Hofmannsthal, Hugo v.: Worte zum Gedächtnis des Prinzen Eugen, in: Neue Freie Presse vom 25.12.1914, 35-40. Unter: http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=nfp&datum=19141225&zoom=33 (19.06.2014)
Hofmannsthal, Hugo v.: Prinz Eugen der edle Ritter, sein Leben in Bildern. Erzählt von Hugo von Hofmannsthal. 12 Original-Lithographien von Franz Wacik, Wien 1915
Sauermann, Eberhard: Schreiben im Namen des Vaterlands: Hofmannsthal, in: ders.: Literarische Kriegsfürsorge. Österreichische Dichter und Publizisten im Ersten Weltkrieg [Literaturgeschichte in Studien und Quellen 4], Wien/Köln/Weimar 2000, 38-44
Zimmermann, Christian v.: Biographische Anthropologie. Menschenbilder in lebensgeschichtlicher Darstellung (1830-1940), Berlin 2006
Zitate:
„Eugens letzte Tage und der Löwe ...": Hofmannsthal, Hugo v.: Prinz Eugen der edle Ritter, sein Leben in Bildern. Erzählt von Hugo von Hofmannsthal. 12 Original-Lithographien von Franz Wacik, Wien 1915
„[U]nsäglich viel aber vermag ein Mann ...", „[d]ie Heranwachsenden und nicht nur sie ...": Hofmannsthal, Hugo v.: Worte zum Gedächtnis des Prinzen Eugen, in: Neue Freie Presse vom 25.12.1914, 35-40. Unter: http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=nfp&datum=19141225&zoom=33 (19.06.2014)
„für immer gebrochen, so wie ...": Hofmannsthal, Hugo v.: Prosa, Bd. 3, Frankfurt am Main 1952, 291-319, hier 292, zitiert nach: Sauermann, Eberhard: Literarische Kriegsfürsorge. Österreichische Dichter und Publizisten im Ersten Weltkrieg [Literaturgeschichte in Studien und Quellen 4], Wien/Köln/Weimar 2000, hier: 44