„Wunden schlagen, Wunden heilen, ist die Losung unserer Zeit“

Krankenschwestern im Ersten Weltkrieg

Die Vorstellung vom Krieg als ein spezifisch männliches Betätigungsfeld wurde von der Frauen- und Geschlechtergeschichte längst durchbrochen. Im Ersten Weltkrieg beteiligten sich Frauen nicht nur in der Heimat aktiv am Kriegsgeschehen, sondern kamen als weibliche Hilfskräfte und Rot-Kreuz-Schwestern auch an der Front zum Einsatz.


 

Gleich nach Kriegsbeginn übergab das Rote Kreuz sein Kontingent an ausgebildeten Krankenschwestern dem Militär. Aufgrund des zu erwartenden Mangels an verfügbaren Pflegekräften rief das Rote Kreuz bereits im August 1914 alle Frauen dazu auf, sich für den Dienst in der Kriegskrankenpflege zu bewerben. Bis zum Ende des Krieges kamen schätzungsweise über 25 000 Krankenschwestern, Hilfsschwestern und Helferinnen zum Einsatz. Sie arbeiteten entweder unbezahlt oder für einen Hungerlohn in den frontnahen Lazaretten oftmals unter lebensbedrohlichen Bedingungen.

Zunächst meldeten sich Frauen aus allen Gesellschaftsschichten für den Kriegskrankendienst, doch mit Fortdauer des Krieges und der prekären Versorgungslage in der Heimat war es vielen Frauen aufgrund der miserablen Verdienstmöglichkeiten nicht mehr möglich, als Kriegskrankenschwester zu arbeiten. Der freiwillige Dienst blieb also weitgehend finanziell besser gestellten Frauen aus dem Adel und Bürgertum überlassen.

Zu den primären Aufgaben der Krankenschwestern zählten die Versorgung verwundeter Soldaten sowie die Betreuung der Kranken in den Seuchenlazaretten und Nervenstationen. Auch die Verwaltung der Verbandsmaterialien sowie die Organisation der Lazarette fielen in ihren Verantwortungsbereich. Die Krankenschwestern wurden offiziell in das Heeressanitätswesen eingebunden und damit einem eigenen Tätigkeitsbereich im Militär zugewiesen.

Die freiwillige Bereitschaft zur Kriegskrankenpflege galt als weibliches Gegenstück zur Wehrpflicht der Männer. Die Pflege, so die geschlechtskonservative Argumentation des Roten Kreuzes, gebe „dem Frauengemüt, der treibenden Kraft im Frauenleben das […], was es braucht: sorgen, lieben und geben können.“ Die Krankenschwester wurde zum Ideal weiblicher Opferbereitschaft und Fürsorge. Sie verkörperte die selbstlose und liebende Mutter ebenso wie die religiöse, asexuelle Ordensschwester. Pflichtbewusst leistete sie an der Seite der Soldaten ihren Dienst für das Vaterland und erfuhr dafür hohe Anerkennung.

Obwohl sie direkt beim Militär arbeitete und damit einen als genuin männlich klassifizierten Bereich betrat, brachte sie – anders als die weibliche Hilfskraft – die komplementäre Vorstellung von ‚weiblicher Heimat’ und ‚männlicher Front’ nicht ins Wanken. Schließlich verrichtete sie vermeintlich ‚weibliche’ Tätigkeiten, umsorgte und pflegte die verletzten Soldaten, damit diese wieder in den Kampf ziehen konnten.

Gerüchte über Affären zwischen Krankenschwestern und Soldaten gefährdeten das Bild der aufopfernden und fürsorglichen Pflegerin. Sie bestätigten den Vorwurf mancher Kritiker, dass sich die Krankenschwestern nicht aus Pflichtbewusstsein oder Selbstlosigkeit für die Pflege meldeten, sondern um einen Liebespartner oder potenziellen Ehemann zu finden.

Doch während die Soldatinnen oder die in der Armee tätigen weiblichen Hilfskräfte nach Kriegsende weitgehend in Vergessenheit gerieten, wurden die Kriegskrankenschwestern zum festen Bestandteil der kollektiven Erinnerung an den Ersten Weltkrieg.

Bibliografie 

Bauer, Ingrid: Frauen im Krieg. Patriotismus, Hunger, Protest – weibliche Lebenszusammenhänge zwischen 1914 und 1918, in: Mazohl-Wallnig, Brigitte (Hg.): Die andere Geschichte 1. Eine Salzburger Frauengeschichte von der ersten Mädchenschule (1695) bis zum Frauenwahlrecht (1918), Salzburg 1995, 285-310

Heeresgeschichtliches Museum: Die Frau im Krieg. Katalog zur Ausstellung vom 6. Mai bis 26. Oktober 1986, Wien 1986

Panke-Kochinke, Birgit/Schaidhammer-Placke, Monika: Frontschwestern und Friedensengel. Kriegskrankenpflege im Ersten und Zweiten Weltkrieg. Ein Quellen- und Fotoband, Frankfurt am Main 2002

Schönberger, Bianca: Mütterliche Heldinnen und abenteuerlustige Mädchen. Rotkreuz-Schwestern und Etappenhelferinnen im Ersten Weltkrieg, in: Hagemann, Karen/Schüler-Springorum, Stefanie (Hrsg.): Heimat – Front. Militär und Geschlechterverhältnisse im Zeitalter der Weltkriege, Frankfurt/New York 2002, 108-127

 

Zitate:

„Wunden schlagen, Wunden heilen …“: Beginn eines den Kriegskrankenschwestern gewidmeten Gedichts, zitiert nach: Bauer, Ingrid: Frauen im Krieg. Patriotismus, Hunger, Protest – weibliche Lebenszusammenhänge zwischen 1914 und 1918, in: Mazohl-Wallnig, Brigitte (Hg.): Die andere Geschichte 1. Eine Salzburger Frauengeschichte von der ersten Mädchenschule (1695) bis zum Frauenwahlrecht (1918), Salzburg 1995, 292

„dem Frauengemüt, der treibenden Kraft …“: von Zimmermann, Anna: Was heißt Schwester sein? Beiträge zur ethischen Berufserziehung, 2. Auflage, Leipzig 1912, 15, zitiert nach: Schönberger, Bianca: Mütterliche Heldinnen und abenteuerlustige Mädchen. Rotkreuz-Schwestern und Etappenhelferinnen im Ersten Weltkrieg, in: Hagemann, Karen/Schüler-Springorum, Stefanie (Hrsg.): Heimat – Front. Militär und Geschlechterverhältnisse im Zeitalter der Weltkriege, Frankfurt/New York 2002, 109

Inhalte mit Bezug zu diesem Kapitel

Aspekt

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Entwicklungen

  • Entwicklung

    Alltag an der (Heimat) Front

    Wie gestaltete sich der Alltag in der Heimat und an den Fronten während der Jahre 1914 bis 1918? Lässt sich der Alltag einer bürgerlichen Frau mit jenem einer Arbeiterin vergleichen? Machte ein Offizier dieselben Fronterfahrungen wie ein Mannschaftssoldat? Oder müssen wir nicht eher davon ausgehen, dass wir es mit einer immensen Fülle an Einzelerlebnissen und -erfahrungen zu tun haben, die den Kriegsalltag der Bevölkerung und der Soldaten an den Fronten prägten?

  • Entwicklung

    Geschlechterrollen: (k)ein Wandel?

    Dass der Erste Weltkrieg traditionelle Geschlechterrollen von Frauen und Männern ins Wanken brachte, ist eine weitverbreitete Ansicht. Fotografien von Straßenbahnschaffnerinnen, Fuhrwerkerinnen und Briefträgerinnen zeugen dem Anschein nach ebenso davon wie die durch den Krieg erzwungene und notwendige Übernahme der männlich gedachten Rolle des Ernährers und Versorgers durch die daheim gebliebenen Frauen. Aber gab es diesen Wandel tatsächlich und was blieb nach 1918 davon übrig?