Der tägliche Kampf ums Überleben

Alltagsleben von Frauen im Ersten Weltkrieg

Mit Kriegsbeginn und der Einberufung der Männer waren viele Frauen plötzlich auf sich allein gestellt. Nun trugen sie die Verantwortung für das Überleben der Familie, was angesichts der sich stetig verschlechternden Versorgungslage von Tag zu Tag schwieriger wurde.


 

Der Abschiedsschmerz und die Angst um den einberufenen Ehemann, Sohn oder Vater wurden oftmals begleitet von Gefühlen des Stolzes und der Kriegseuphorie. Bilder von jubelnden und begeisterten Frauen, die ihre Lieben am Bahnhof verabschiedeten, prägen bis heute die Vorstellung von der Stimmungslage bei Ausbruch des Krieges.

Diese Begeisterung wurde jedoch bald von den Schwierigkeiten des Alltagslebens in der Heimat überschattet. Um einen Zusammenbruch der Wirtschaft zu verhindern, mussten die einberufenen Männer durch weibliche Arbeitskräfte ersetzt werden. Hinzu kam die katastrophale Versorgungslage, die ein geschicktes und strategisches Wirtschaften mit den vorhandenen Ressourcen erforderte. Stundenlanges Schlangestehen vor den Lebensmittelgeschäften gehörte ebenso zum Alltag wie die illegale Nahrungsbeschaffung am Schwarzmarkt oder die sogenannten „Hamsterfahrten“ aufs Land, wo man zum Beispiel gegen Schmuck oder Tabak einiges an Eiern, Schmalz und Kartoffeln erhielt. Ab 1915 kam es zur Rationierung von Lebensmitteln, die über Zuteilungsmarken erhältlich waren. Weder die ausgegebenen Lebensmittelmarken noch der seitens des Staates für Soldatenfrauen geleistete Unterhaltsbeitrag ermöglichten jedoch ein Auskommen.

Die Lebenserhaltungskosten hatten sich bereits im ersten Kriegsjahr verdoppelt. Sparsames Wirtschaften sowie Geschicklichkeit im Umgang mit Ersatzmitteln sicherten nicht nur die eigene Existenz, sondern auch das Funktionieren der Kriegswirtschaft. Der Haushalt wurde so zum „wirtschaftlichen Schützengraben“, zu einem Ort, an dem täglich ums Überleben gekämpft werden musste.

Die Frauen wurden dazu angehalten, ihre Hauswirtschaft der Kriegssituation anzupassen. Verschiedene Frauenorganisationen, darunter die Reichsorganisation der Hausfrauen Österreichs sowie die Frauenhilfsaktion im Kriege veranstalteten Vorträge zum Thema der Nahrungsbeschaffung, publizierten Kriegsrezepte und lehrten Frauen den Umgang mit Ersatzstoffen, wie der Steckrübe und dem Saccharin. Sie forderten staatliche Preiskontrollen für Lebensmittel und härtere Strafen für Verkäufer und Verkäuferinnen, die den Preis willkürlich in die Höhe trieben. Es ging dabei nicht nur um Hilfeleistungen, sondern immer auch um die Mobilisierung der Frauen und ihren Einsatz für den Krieg.

Hier wird bereits deutlich, dass die Frauen, von denen hier gesprochen wird, keine homogene Gruppe mit den immer gleichen Erfahrungen darstellen. Während die einen um ihr Überleben bangten und Nahrungsmittel regelrecht erbettelten, versuchten die anderen aus dem Leid ihrer Umgebung Profit zu schlagen. Nicht wenige Frauen wurden wegen Schwarzmarkthandels und Preistreiberei verhaftet und die Zahl der am Marktplatz in tätliche Auseinandersetzungen verwickelten Frauen war beachtlich. Unter den schwierigen Lebensverhältnissen des Krieges stieß das Bild von der liebenden und fürsorglichen Mutter, mit dem die Heimat assoziiert wurde, bald an seine Grenzen.

Bibliografie 

Bauer, Ingrid: Frauen im Krieg. Patriotismus, Hunger, Protest – weibliche Lebenszusammenhänge zwischen 1914 und 1918, in: Mazohl-Wallnig, Brigitte (Hg.): Die andere Geschichte 1. Eine Salzburger Frauengeschichte von der ersten Mädchenschule (1695) bis zum Frauenwahlrecht (1918), Salzburg 1995, 285-310

Daniel, Ute: Frauen, in: Hirschfeld, Gerhard/Krumeich, Gerd/Renz, Irina (Hrsg.): Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Paderborn et al. 2009, 116-134

Healy, Maureen: Vienna and the Fall of the Habsburg Empire. Total War and Everyday Life in World War I, Cambridge 2004

Heeresgeschichtliches Museum: Die Frau im Krieg. Katalog zur Ausstellung vom 6. Mai bis 26. Oktober 1986, Wien 1986

 

Zitate:

„wirtschaftlichen Schützengraben“: Bauer, Ingrid: Frauen im Krieg. Patriotismus, Hunger, Protest – weibliche Lebenszusammenhänge zwischen 1914 und 1918, in: Mazohl-Wallnig, Brigitte (Hg.): Die andere Geschichte 1. Eine Salzburger Frauengeschichte von der ersten Mädchenschule (1695) bis zum Frauenwahlrecht (1918), Salzburg 1995, 305

Inhalte mit Bezug zu diesem Kapitel

Personen, Objekte & Ereignisse

  • Objekt

    Mangel und Elend

    Als im Jänner 1915 die Bevölkerung auf ausbleibende Brot- und Mehllieferungen mit Panikkäufen reagierte, führte die Kriegs-Getreide-Verkehrsanstalt das Bezugskartensystem ein. Pro-Kopf-Quoten wurden festgesetzt und über Brot- und Mehlkarten verteilt. Doch selbst die zugewiesenen Rationen konnten angesichts der Krise immer seltener ausgegeben werden und die Papierscheine erwiesen sich als wertlos.

Entwicklungen

  • Entwicklung

    Alltag an der (Heimat) Front

    Wie gestaltete sich der Alltag in der Heimat und an den Fronten während der Jahre 1914 bis 1918? Lässt sich der Alltag einer bürgerlichen Frau mit jenem einer Arbeiterin vergleichen? Machte ein Offizier dieselben Fronterfahrungen wie ein Mannschaftssoldat? Oder müssen wir nicht eher davon ausgehen, dass wir es mit einer immensen Fülle an Einzelerlebnissen und -erfahrungen zu tun haben, die den Kriegsalltag der Bevölkerung und der Soldaten an den Fronten prägten?