Geschwindigkeitsrausch im Film: Heroen der Fahrbahn und der Lüfte

Automobilisten eroberten langsam die Straßen, sie gehörten der wohlhabenden Oberschicht an. Wurden schon sie staunend bewundert, so stilisierte man die Eroberer der Lüfte zu „wahren Helden“. Die Kinematographie war schnell zur Stelle, um das Kinopublikum ein Stück an der neuen mobilen, kostspieligen Freiheit teilhaben zu lassen.

„Man muss sagen (…), dass Automobilismus eine Krankheit ist, eine Geisteskrankheit. Diese Krankheit hat einen hübschen Namen: Geschwindigkeit …“ Mit nur wenigen Worten macht der Journalist und Schriftsteller Octave Mirbeau 1910 in seinem Reiseroman, der als Titel „La 628 E-8“ die Nummer seines Autokennzeichens trägt, den Wunsch nach wachsender Beschleunigung und steter Bewegung als eine „Erkrankung“ aus.

Diese „Malaise“ erfasste gegen Ende des 19. Jahrhunderts auch Österreich-Ungarn. Im November 1892 verkehrte das erste Auto, ein Ben Phaeton, auf den Straßen Wiens. 1897 gab es im Großraum Wien 15 Automobilbesitzer, in der gesamten Habsburgermonarchie mindestens 35. 1898 wurden Automobile in der Wiener Innenstadt zugelassen. Zeitgleich trat das Automobil-Haftpflichtgesetz in Kraft.

1907 standen im heutigen Österreich etwa 1.600 Automobile und 1911 etwa 5.000 in Verwendung. Motorräder und „Benzindroschken“ blieben aber vorerst den Pionieren der Technik und der Oberschicht vorbehalten. Der Kaufpreis für ein Auto lag etwa halb so hoch wie der für eine Villa mit Garten. Oftmals waren es daher Aristokraten und Industrielle, die sich als begeisterte Automobilisten deklarierten und in Erscheinung traten. Zu ihnen zählten etwa der Thronfolger Franz Ferdinand, Erzherzog Franz Salvator, Erzherzog Karl Franz Josef oder Prinz Elias von Parma in Trient. Bei der Internationalen Alpenfahrt 1912 stellte so vor allem der Adel seine Begeisterung für die rasante Fahrt mit dem Automobil unter Beweis. Die allgegenwärtigen Zaungäste unterstrichen die Bewunderung für die ‘mondänen‘ adeligen Bezwinger der Strecke („Die internationale Alpenfahrt 1912“, A/F 1912).

Als wagemutige „Heroen der Lüfte“ verehrte man in aller Welt Piloten, deren Leistungen, Abenteuer und Rekorde von der Presse verfolgt und gefeiert sowie per Kamera festgehalten wurden. Ende 1908 etwa setzte die „Daily Mail“ einen Preis über 1.000 Pfund für den ersten Flug zwischen England und Frankreich aus. Hubert Latham startete am 19. Juli 1909, musste aber aufgrund eines Motorschadens notwassern. Einige Tage später gelang Louis Blériot der Sprung über den Kanal. Der Franzose – der sich erst einen Monat zuvor bei einem Absturz den Arm verbrannt hatte – wurde euphorisch gefeiert, der Bericht über seinen Flug als Sensationsgeschichte in den Kinematographentheatern zur Aufführung gebracht („Flug Blériots im Aeroplan über die Strasse von Dover“, F 1909).

Der Beginn der österreichischen Luftfahrt lässt sich mit dem 11. August 1882 festlegen, als Victor Silberer mit seinem Ballon „Vindobona“ in Wien eine erste Freifahrt durchführte. Seither entwickelte sich ein zunehmendes Interesse für das Flugwesen. In Wiener Neustadt entstand der erste Flughafen Österreich-Ungarns, wo ab 1911 Feldpiloten ausgebildet wurden. 1913 mietete das Militär das gesamte Flugfeld. Im Jahr 1915 kam es zur Gründung der Österreichischen Flugzeugfabrik A.G.

Bibliografie 

Achenbach, Michael (Red.): Luftfahrt. Motorflug. Edition Historischer Verkehr, Wien 2003

Blom, Philipp: Der taumelnde Kontinent. Europa 1900–1914, München 2009

Sandgruber, Roman: Ökonomie und Politik. Österreichische Wirtschaftsgeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Wien 1995

Inhalte mit Bezug zu diesem Kapitel

Aspekt

Personen, Objekte & Ereignisse

  • Person

    Franz Ferdinand

    Franz Ferdinand, ein Neffe Kaiser Franz Josephs, war als Thronfolger in Österreich-Ungarn eine kontroversielle Persönlichkeit. Er und seine Gemahlin Sophie fielen 1914 dem Attentat von Sarajewo zum Opfer, das als Auslöser des Ersten Weltkriegs gilt.

  • Person

    Karl I.

    Der letzte Kaiser bestieg 1916 den Thron und regierte bis zum Zerfall der Österreichisch-Ungarischen Monarchie im November 1918.