Mobiles Erwachen im Film: Das Erobern neuer Räume

Eisenbahnen und Dampfschiffe führten im 19. Jahrhundert zu einer Mobilisierung, die um 1900 mit dem Fahrrad, dem Auto und dem Flugzeug zusätzlichen Auftrieb bekam und auch im Film inszeniert wurde. Bewegung wurde auch visuell ein Stück erlebbar.

Das Erlebnis der individuellen Mobilität wurde für die breite Masse etwa durch das Veloziped erlebbar. Ein Stück Freiheit konnte gewonnen, bürgerliche Räume verlassen, die Landschaft erobert werden. Für Frauen war die „Cyclisation“ Ausdruck einer zunehmenden Emanzipation, auch und vor allem da Moralisten vor dem sittlichen Verfall durch die Nutzung des Gefährts warnten. Dem Erfolg des „Bicycles“ tat dies keinen Abbruch. Um 1900 gab es in der gesamten Monarchie 300.000 bis 400.000 Stück davon. Dazu produzierten in Österreich-Ungarn um die Jahrhundertwende 25 Fahrradfabriken jährlich an die 60.000 „Drahtesel“.

Die Erfindung und der Einsatz von Elektromotoren erweiterten die Transportmöglichkeiten. Als wichtigstes Transportmittel für Personen und Güter betrachtete man die Eisenbahn. Deren Stellenwert unterstrich man in der österreichischen Reichshälfte der Donaumonarchie 1896 mit der Errichtung eines eigenen dafür zuständigen Ministeriums. Mit den dampfgetriebenen Lokomotiven wurden inzwischen selbst entlegene Gebiete erschlossen. Der Ausbau des Schienennetzes galt insbesondere in Gebirgsregionen als Vorzeigeprojekt. Während die Verstaatlichung der wichtigsten Bahnlinien voranschritt, wurde parallel das Schienennetz bis 1913 auf 46.000 Kilometer verlängert. Die angesichts der gebirgigen Landschaft beachtliche Leistung kam nicht zuletzt dem Fremdenverkehr zugute. Bessergestellte wurden zu den Bädern in Gastein und Karlsbad, zum Wallfahrtszentrum Mariazell, ins Salzkammergut, auf den Semmering und den Arlberg gebracht. Der erste elektrisch betriebene Bahnabschnitt zwischen Mödling und Hinterbrühl wurde im Oktober 1883 in Betrieb genommen. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurden diesbezügliche Arbeiten vorangetrieben. Die Eröffnung neuer „elektrischer Bahnstrecken“ war stets Anlass zu groß angelegten Festakten. Kamerateams hielten diese „technisch historischen Momente“ für die Nachwelt fest, wie etwa die Aufnahmen zur Freigabe der neuen Strecke Wien-Pressburg („Eröffnung der elektrischen Bahn Wien-Pressburg“, A/F 1914) belegen.

Die Elektrifizierung machte auch vor der Tramway nicht Halt. Erste Versuche, eine elektrische Bahn in Wien zu betreiben, erfolgten um 1880. So setzte die Firma Siemens & Halske 1883 im Prater eine elektrische Garnitur zwischen der Schwimmschulallee (Lassallestraße) und der Rotunde (Länge 1,5 km) ein. Im Mai 1896 nahm die Wiener Tramway-Gesellschaft eine elektrische Versuchsstrecke auf. Mit der Kommunalisierung der Energieversorgung der Residenzstadt ab 1897 erfolgte auch die Elektrifizierung der Straßenbahn. Das Straßenbild Wiens veränderte sich entsprechend. Aufnahmen vom zusehends dichter werdenden Verkehr am Opernring aus dem Jahr 1908 zeigen neben Pferde- nun auch elektrische Straßenbahnen, neben Kutschen nun auch Automobile („Wien um 1908“, A/F 1908).

Bibliografie 

Czeike, Felix: Historisches Lexikon Wien, Band 5, Wien 1997

Leidinger, Hannes/Moritz, Verena/Moser, Karin: Österreich Box 1: 1896–1918. Das Ende der Donaumonarchie, Wien 2010

Sandgruber, Roman: Ökonomie und Politik. Österreichische Wirtschaftsgeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Wien 1995

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  • Entwicklung

    Geschlechterrollen: (k)ein Wandel?

    Dass der Erste Weltkrieg traditionelle Geschlechterrollen von Frauen und Männern ins Wanken brachte, ist eine weitverbreitete Ansicht. Fotografien von Straßenbahnschaffnerinnen, Fuhrwerkerinnen und Briefträgerinnen zeugen dem Anschein nach ebenso davon wie die durch den Krieg erzwungene und notwendige Übernahme der männlich gedachten Rolle des Ernährers und Versorgers durch die daheim gebliebenen Frauen. Aber gab es diesen Wandel tatsächlich und was blieb nach 1918 davon übrig?