„In Deinem Lager ist Österreich!“ – Die Armee

Die berühmte Zeile aus dem Lobgedicht Grillparzers an Feldmarschall Radetzky kann man pars pro toto für die Armee der Habsburgermonarchie verstehen. Die k. u. k. Armee stand im Dienste des Kaisers und nicht des Staates. Franz Joseph war der „Oberste Kriegsherr“. 

Franz Joseph war ein „Soldatenkaiser“. Immerhin verdankte er die Durchsetzung seiner Herrschaft während der Revolution von 1848 der Armee. Der Kaiser sah sich in erster Linie als Soldat, auch betonte er in seinem Auftreten stets die enge Verbindung zum Militär – die militärische Uniform wurde seine zweite Haut. In offiziellen Darstellungen war er nicht umsonst zumeist in Uniform abgebildet.

Wie der Kaiser war auch die Armee ein Symbol des Gesamtstaates, und bleib dies auch nach dem österreichisch-ungarischen Ausgleich von 1867. Die Gemeinsame Armee, wie die korrekte Bezeichnung für die Streitkräfte der Doppelmonarchie lautete, stand unter der Leitung des gemeinsamen k. u. k. Kriegsministeriums (ab 1911 Reichskriegsministerium genannt). Die Armeeausgaben wurden nach einem bestimmten Schlüssel zwischen den beiden Reichshälften aufgeteilt.

Die einheitliche Kommando- und Dienstsprache war Deutsch, um ein gewisses Mindestmaß an Kommunikation zu gewährleisten. Eine standardisierte Liste von deutschen Befehlen musste von jedem Soldaten, unabhängig von seiner Mutter- oder Umgangssprache, beherrscht werden.

Die Nationalitätenfrage, die die Monarchie in allen Bereichen beschäftigte, färbte auch auf die Armee ab: Als um die Jahrhundertwende eine Heeresneuorganisation begonnen wurde, forderte Ungarn die Einführung der ungarischen Kommandosprache neben der deutschen. An der strikten Ablehnung jeglicher Föderalisierungstendenzen innerhalb der Armee durch Franz Joseph entzündete sich eine schwere innenpolitische Krise.

Kaiser Franz Joseph war bemüht, Zivil- und Heeresverwaltung strikt zu trennen. Die Möglichkeiten der Einflussnahme der parlamentarischen Volksvertretungen auf Armeeangelegenheiten waren gering und beschränkten sich auf die Festsetzung des Militärbudgets und die Bewilligung der Rekrutierungszahlen. Umgekehrt war das Militär durchaus ein innenpolitischer Sicherheitsfaktor: Die über das gesamte Reichsgebiet verstreuten Garnisonen waren Außenposten des Zentralstaates, und in Krisenzeiten konnte die Staatsmacht mittels Assistenzeinsätzen der Armee in den eskalierenden Nationalitätenkonflikten ihre Stärke demonstrieren.

Die Selbstsicht der Armee war von einem spezifischen Standesbewusstsein geprägt, das sich in einem eigenen Ehrenkodex und bestimmten Umgangsformen manifestierte. Armeeangehörige prägten das Straßenbild und die Präsenz der Armee war allgegenwärtig. Der Typus des eleganten, schneidigen Offiziers, des „schönen Leutnants“ ging in die Literatur ein. Dieses heute nostalgisch verklärte Klischeebild hatte aber seine Schattenseiten. Der Großteil der subalternen Offiziere verfügte nur über eine bescheidene materielle Absicherung, die nur zum Teil mit der besonderen sozialen Stellung aufgewertet wurde. So hatten Offiziere mit bestimmten Dienstjahren das Anrecht auf ein niederes Adelsprädikat. Nach zwölf Jahren Dienst hatten Unteroffiziere den Anspruch auf eine Anstellung im Staatsdienst.

Die Armee war eine selbstbezogene Gesellschaft: Viele Militärs stammten aus regelrechten Offiziersfamilien, die von Garnison zu Garnison ziehend, allein im Dienst für den Kaiser ihr Selbstwertgefühl begründeten. Aufgrund der supranationalen Ausrichtung sah sich das Offizierscorps vorrangig als Vertreter des Gesamtstaates, zum Teil jedoch mit einer gewissen Anfälligkeit für den Deutsch-Nationalismus.

Das Ansehen der Armee wurde in der öffentlichen Wahrnehmung massiv gefördert. Bereits im Schulunterricht wurde militärische Disziplin als erstrebenswertes Ideal gefeiert, der Turnunterricht sollte nicht zuletzt die Wehrfähigkeit fördern. Die soldatische Existenz galt als Ideal der Männlichkeit.

Die Einberufung bedeutete für viele junge Männer aus der tiefsten Provinz aber auch den Eintritt in eine andere Welt. Entflohen aus der Enge des Dorfes, erlebten sie eine Aufweichung der ansonsten rigiden sozialen und nationalen Trennlinien, die die Zivilgesellschaft prägten. Eine neue Identität wurde geboten, gestärkt vom Corpsgeist und der Solidarität unter Kameraden. Der Zauber der Montur tat sein Übriges, sodass die Militärzeit zuweilen durchaus positiv erlebt wurde.

Viele zerbrachen aber auch am seelenlosen Drill und menschenverachtenden Schliff, die die Realität der Soldaten prägten. Die Selbstmordrate in der k. u. k Armee war die höchste in Europa: im alten Österreich kam man statistisch auf 10,5 Selbstmordfälle pro 10.000 Mann, währenddessen in der deutschen Armee „nur“ 2,6 Suizide gezählt wurden.

Bibliografie 

Hanisch, Ernst: Der lange Schatten des Staates. Österreichische Gesellschaftsgeschichte im 20. Jahrhundert [Österreichische Geschichte 1890–1990, hrsg. von Herwig Wolfram], Wien 2005

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Moritz, Verena/Leidinger, Hannes: Oberst Redl. Der Spionagefall. Der Skandal. Die Fakten (2. Aufl.), St.Pölten [u.a.] 2012

Rauchensteiner, Manfried: Österreich-Ungarn und der Erste Weltkrieg 1914–1918, Graz 1998 

Traum und Wirklichkeit. Wien 1870–1930. Katalog der 93. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien 1985, Wien 1985

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Das Zeitalter Kaiser Franz Josephs – 2. Teil: 1880–1916. Glanz und Elend. Katalog der Niederösterreichischen Landesausstellung auf Schloss Grafenegg 1987, Wien 1987

Inhalte mit Bezug zu diesem Kapitel

Aspekt

Entwicklungen

  • Entwicklung

    Der starke Staat und der Untertan: Obrigkeitsdenken und Klassengesellschaft

    Die Klassengesellschaft der Habsburgermonarchie war von strengen Hierarchien geprägt. Es herrschten enorme Unterschiede zwischen Arm und Reich. Angehörige verschiedenster gesellschaftlicher Gruppen sowie Frauen generell standen in existenziellen sozialen und ökonomischen Abhängigkeitsverhältnissen.