Die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn war eine Realunion zweier Staaten, die auf der verfassungsrechtlichen Grundlage des Ausgleichs von 1867 beruhte. Die Verbindung manifestierte sich durch gemeinsame Institutionen und einen gemeinsamen Herrscher. In der Person Franz Josephs verfügte der Gesamtstaat über eine mehr als nur symbolische Klammer.
Die Schwierigkeiten, eine gemeinsame Basis zu finden, spiegelten sich auch in der Frage der Namensgebung für die neu entstandene Doppelmonarchie wider. Die bisherige Bezeichnung als „Kaisertum Österreich“ wurde von der ungarischen Seite vehement abgelehnt, denn man glaubte darin „groß-österreichische“ Tendenzen des Wiener Zentralismus zu erkennen. Auch der Vorschlag, das Staatsganze als „Österreichisch-Ungarisches Reich“ zu bezeichnen, traf auf Ablehnung, weil der Begriff „Reich“ die – in den Augen Budapests nicht bestehende – territoriale Einheit betont hätte. Schließlich einigte man sich in Form der Bezeichnung „Österreichisch-Ungarische Monarchie“ bzw. deren Kurzform „Österreich-Ungarn“ auf einen Kompromiss.
In die Zuständigkeit des Gesamtstaates fielen die Belange des Hauses Habsburg-Lothringen, die Außenpolitik, das Heerwesen, die Währungs- und Zollpolitik sowie der Außenhandel. Die Behörden, die mit der Administrierung dieser Bereiche betraut waren, trugen die Bezeichnung „k. u. k.“ für „kaiserlich und königlich“. Die Finanzierung der „Gemeinsamen Angelegenheiten“ wurde durch ein Quotensystem gewährleistet: Anfänglich wurden 70 % vom wirtschaftlich stärkeren und bevölkerungsreicheren Cisleithanien (1870 hier lebten 54 % der Gesamtbevölkerung) getragen, während Ungarn nur für 30 % der Kosten aufkam. Alle zehn Jahre sollte die Quote neu ausverhandelt werden, was sich in der Spätzeit als diffiziles Problem, das über gehörigen politischen Sprengstoff verfügte, herausstellen sollte.
Ebenfalls unter die gemeinsamen Agenden fiel die Verwaltung von Bosnien und Herzegowina, die als „Reichslande“ und „Kondominium beider Reichshälften“ gleichsam als Kolonie durch das Gemeinsame k. u. k. Finanzministerium verwaltet wurden. Grund dafür war, dass es innenpolitisch eine gefährliche Belastungsprobe für die diffizile Gewichtung der Nationalitäten dargestellt hätte, wenn diese von südslawischen Ethnien bewohnte Region entweder der österreichischen oder der ungarischen Reichshälfte zugeschlagen worden wäre.
Die Doppelmonarchie stellte ein kompliziertes System dar, das über drei Regierungsorgane verfügte. Dem „Gemeinsamen Ministerium“, das über gesamtstaatliche Belange entschied, standen die Wiener und Budapester Regierungen gegenüber. Erschwert wurde die Koordination dadurch, dass die jeweiligen Zuständigkeiten im Detail oft undefiniert waren. Somit fiel Franz Joseph, der in Ungarn nicht als Kaiser von Österreich, sondern ausschließlich als apostolischer König von Ungarn regierte, in vielen Fragen das letzte Wort zu, wodurch – ganz in seinem Interesse – die starke Rolle des Monarchen erhalten blieb.
Denn für Franz Joseph war bei den Verhandlungen zum Ausgleich von enormer Wichtigkeit gewesen, dass die Vorrechte der Dynastie und die Einheit der Monarchie gewahrt blieben. Vor allem eine starke, einheitliche Armee war für ihn ein grundlegendes Herrschaftsmittel, wie er zu Beginn seiner Regentschaft angesichts der Revolution von 1848 erkennen musste. Jegliche Versuche vonseiten der ungarischen Regierung, auch auf diesem Gebiet Autonomierechte zu erlangen, wurden deshalb von ihm im Keim erstickt.
Stourzh, Gerald: Die dualistische Reichsstruktur, Österreichbegriff und Österreichbewusstsein 1867–1918, in: Stourzh, Gerald: Der Umfang österreichischer Geschichte. Ausgewählte Studien 1990–2010 (=Studien zu Politik und Verwaltung 99), Wien u. a. 2011, 105–124
Rumpler, Helmut: Eine Chance für Mitteleuropa. Bürgerliche Emanzipation und Staatsverfall in der Habsburgermonarchie [Österreichische Geschichte 1804–1914, hrsg. von Herwig Wolfram], Wien 2005
Wandruszka, Adam (Hrsg.): Die Habsburgermonarchie 1848–1918, Band VII: Verfassung und Parlamentarismus. Teil 1: Verfassungsrecht, Verfassungswirklichkeit und zentrale Repräsentativkörperschaften, Wien 2000
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Kapitel
- „Gott erhalte!“ – Der Kaiser
- „In Deinem Lager ist Österreich!“ – Die Armee
- Der verlängerte Arm der Staatsmacht: Die Bürokratie
- Die Doppelmonarchie: Zwei Staaten in einem Reich
- „Unteilbar und Untrennbar“ – Der Gesamtstaat
- Die Habsburgermonarchie im Prozess der Demokratisierung
- Der Mangel an politischer Kultur
- Der starke Monarch und der Hang zum Autokratismus