Antikriegsliteratur als Massenerfolg: „Im Westen nichts Neues“

Erich Maria Remarque wurde als 18-Jähriger zum Kriegsdienst eingezogen und kurz darauf durch einen Granatsplitter verletzt. Von den Kriegserlebnissen geprägt, entwickelte er eine antimilitaristische Haltung, die in seinem Roman Im Westen nichts Neues (1928) zum Ausdruck kommt.

Das angeblich nach der Bibel meistgelesene Buch der Welt erschien in einer Gesamtauflage von mindestens 20 Millionen Stück in etwa 50 Übersetzungen. Eine außergewöhnlich intensive und aufwändige Werbekampagne des Verlags Ullstein führte schnell zum größten Bucherfolg in der Geschichte der deutschen Literatur – 1930 waren bereits eine Million Bücher verkauft. Aus diesem Anlass druckte der Verlag sogar 1.000 Exemplare in Blindenschrift und verteilte sie kostenlos an Kriegsblinde.

Die große Außenwirkung des Romans provozierte Widersprüche um den Inhalt und die Person von Remarque: Die Rechten sahen in dem Werk einen Versuch, die Frontsoldaten zu „beschmutzen“, die Linken zitierten es, vereinfacht zusammengefasst, ausschließlich als Antikriegsliteratur.

1930 wurde der Roman verfilmt, der damalige Gauleiter Goebbels ließ in Berlin durch seine SA-Truppen die Aufführung in den Kinos – beispielsweise durch Rauch- und Stinkbomben oder durch das Freilassen von Mäusen – stören. Es folgte ein Aufführungsverbot wegen „Schädigung des deutschen Ansehens im Ausland“. Remarques Bücher wurden 1939 öffentlich verbrannt und der Autor wurde ausgebürgert.

Der Protagonist des Romans, Paul Bäumer, der sich als Schüler freiwillig zum Militär meldet, schildert den Ersten Weltkrieg aus der Warte des einfachen Soldaten. Die jungen Rekruten verlieren ihre anfängliche Kriegsbegeisterung bereits bei der Ausbildung in der Heimat. „Auf eine sonderbare und schwermütige Weise verroht“ werden sie zu „Menschentieren“. Prägend steht die Kameradschaft über dem Sterben und Überleben an der Front, das sich zwischen „Trommelfeuer, Verzweiflung und Mannschaftsbordell“ abspielt. Der Krieg entfremdet die Daheimgebliebenen im Hinterland von jenen, die an der Front waren, weil diese keine Worte, keine Sprache finden, um die Kriegserlebnisse zu kommunizieren.

Dem Roman stellt Remarque programmatisch einen kurzen Text voran: „Dieses Buch soll weder eine Anklage noch ein Bekenntnis sein. Es soll nur den Versuch machen, über eine Generation zu berichten, die vom Kriege zerstört wurde – auch wenn sie seinen Granaten entkam.

Bäumer ist den Granaten nicht entkommen, im letzten, nüchtern gehaltenen Absatz schreibt Remarque: „Er fiel im Oktober 1918, an einem Tag, der so ruhig und still war an der ganzen Front, dass der Heeresbericht sich nur auf den Satz beschränkte, im Westen sei nichts Neues zu melden.
Er war vornübergesunken und lag wie schlafend an der Erde. Als man ihn umdrehte, sah man, dass er sich nicht lange gequält haben konnte, – sein Gesicht hatte einen so gefassten Ausdruck, als wäre er beinahe zufrieden damit, dass es so gekommen war.

In einer Schlüsselstelle diskutieren Bäumer und seine Kameraden über die Funktion und Sinnhaftigkeit des Krieges. Remarque stellt die zeitlos gültige Frage: „’Weshalb ist dann überhaupt Krieg?’, fragt Tjaden. Kat zuckt die Achseln. ‚Es muss Leute geben, denen der Krieg nützt.’ ‚Na, ich gehöre nicht dazu’, grinst Tjaden. (...) ‚Sicher stecken andere Leute, die am Krieg verdienen wollen, dahinter’, brummt Detering.“

Bibliografie 

Remarque, Erich Maria: Im Westen nichts Neues, 34. Auflage, Köln 2012

 

Zitate:

„Auf eine sonderbare und schwermütige Weise …“: Remarque, Erich Maria: Im Westen nichts Neues, 34. Auflage, Köln 2012, 23

„Menschentieren“: ebd., 46

„Trommelfeuer, Verzweiflung und Mannschaftsbordell“: ebd., 198

„Dieses Buch soll weder eine Anklage …“: ebd., 9

„Er fiel im Oktober 1918 …“: ebd., 199

„Weshalb ist dann überhaupt Krieg …“: ebd., 142f.

 

Inhalte mit Bezug zu diesem Kapitel

Aspekt

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    Nein zum Krieg

    Je länger der Krieg dauerte, desto mehr Stimmen wurden laut, die „Nein“ zum Krieg sagten. Dazu gehörten sowohl Vertreterinnen und Vertreter der österreichischen Friedensbewegung und Frauenbewegung als auch Teile der österreichisch-ungarischen Bevölkerung. Sie wurden im Verlauf des Konfliktes immer „kriegsmüder“, was sich in Streikbewegungen und Hungerkrawallen ebenso äußerte wie im Phänomen der Massendesertionen von Frontsoldaten am Ende des Krieges.

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