Überwachte Post – Die Briefzensur

Die Zensur der Briefpost umfasste sowohl alle Korrespondenzen, die ins Ausland und von dort ins Inland transportiert wurden, als auch (stichprobenartig) den inländischen Briefverkehr, anfänglich die gesamte Feldpost sowie jegliche Schreiben der Kriegsgefangenen.


 

Die Kontrolle der Auslandkorrespondenzen wurde Ende des Jahres 1916 in „drei Großzensurstellen (Wien, Budapest, Feldkirch)“  durchgeführt, wo, nach Gustav Spann, „jeweils rund 1.000 Personen […] monatlich zwischen ein und drei Millionen Poststücke bearbeitete[n]“. Die Zensur des Postverkehrs im Inland konnte von Beginn an nur durch Stichproben erfolgen und war, was den Armeebreich (zum Beispiel Dalmatien, Südsteiermark, Südtirol) betraf, vordergründig eine Angelegenheit des Armeeoberkommandos. Zensuriert wurde von sogenannten Militärzensurkommissionen, die in den Kompetenzbereich der jeweils zuständigen Militärkommandos fielen.

Die Zensur der Feldpost fiel in den Verantwortungsbereich der jeweiligen Kommandos der Armee im Felde; alle Schreiben der Kriegsgefangenen wurden durch die Zensurgruppe des Gemeinsamen Zentralnachweisbureaus zensuriert.

Als Richtlinie für die Zensur der Feldpost galt, dass alle Personen, die der Armee im Felde zugeordnet waren, für jede, auch unbeabsichtigt aus ihren privaten Briefen in die Öffentlichkeit gelangten Nachrichten, verantwortlich gemacht wurden. Der Gebrauch von ‚unüblichen‘ und daher schwer zu lesenden und zu prüfenden Schriften, wie zum Beispiel der Gabelsberger Stenographie, war verboten. Ebenso durften auf keinem Feldpostbrief der Aufenthaltsort des Schreibers oder der Aufgabeort des Briefes vermerkt sein. Insbesondere jedoch durften keine militärisch-taktischen Informationen mitgeteilt werden.

Die Zensur-Mitarbeiter für die Feldpost sollten daher vor allem jene Nachrichten unterbinden, die einem staatlichen und besonders militärischen Interesse zuwider liefen. In der Praxis wurde dies durch einen Offizier besorgt, der die eingesammelten Postsendungen kontrollierte. Die Briefe sollten dazu unverschlossen abgegeben werden. Diese anfängliche Total-Zensur musste angesichts des immensen Postaufkommens bereits im Laufe des Jahres 1914 wieder aufgegeben werden. Ab 1915 konnten auch geschlossene Briefe vorgelegt werden. Es wurde nur mehr stichprobenartig kontrolliert, gleichzeitig drohten aber „strengste Bestrafungen bei Verstößen gegen die Feldpostvorschriften“.

Bibliografie 

Clement Alfred (Hrsg.): Handbuch der Feld- und Militärpost II 1914-1918 (Graz 1964)

Spann, Gustav: Zensur in Österreich während des Ersten Weltkrieges 1914-1918, Unveröffentlichte Dissertation, Universität Wien 1972

Spann, Gustav: Vom Leben im Kriege. Die Erkundung der Lebensverhältnisse der Bevölkerung Ungarns im Ersten Weltkrieg durch die Briefzensur, in: Ardelt, Rudolf G./Huber, Wolfgang J.A. (Hrsg.): Unterdrückung und Emanzipation. Festschrift für Erika Weinzierl zum 60. Geburtstag, Wien 1985, 149-165

 

Zitate:

„drei Großzensurstellen in Wien ...“: zitiert nach: Spann, Gustav: Vom Leben im Kriege. Die Erkundung der Lebensverhältnisse der Bevölkerung Ungarns im Ersten Weltkrieg durch die Briefzensur, in: Ardelt, Rudolf G./Huber, Wolfgang J.A. (Hrsg.): Unterdrückung und Emanzipation. Festschrift für Erika Weinzierl zum 60. Geburtstag, Wien 1985, 149

„jeweils rund 1.000 Personen …“: zitiert nach: Spann, Gustav: Vom Leben im Kriege. Die Erkundung der Lebensverhältnisse der Bevölkerung Ungarns im Ersten Weltkrieg durch die Briefzensur, in: Ardelt, Rudolf G./Huber, Wolfgang J.A. (Hrsg.): Unterdrückung und Emanzipation. Festschrift für Erika Weinzierl zum 60. Geburtstag, Wien 1985, 149-150

„Als Richtlinie für die Zensur der Feldpost …“: Spann, Gustav: Zensur in Österreich während des Ersten Weltkrieges 1914-1918, Unveröffentlichte Dissertation, Universität Wien 1972, 122

„strengste Bestrafungen bei Verstößen …“: zitiert nach: Spann, Gustav: Zensur in Österreich während des Ersten Weltkrieges 1914-1918, Unveröffentlichte Dissertation, Universität Wien 1972, 122

 

 

 

Inhalte mit Bezug zu diesem Kapitel

Aspekt

  • Aspekt

    „In Verbindung bleiben“

    Der Erste Weltkrieg trennte oft über mehrere Jahre hinweg tausende Familien voneinander. Umso wichtiger war es für jeden Einzelnen, den Kontakt zu den Lieben in der Ferne aufrecht zu erhalten. Viele bis dahin im Schreiben ungeübte Menschen griffen nun zu Bleistift oder Füllfeder und versuchten, schriftlich mit ihren abwesenden Familien, Freunden und Bekannten in Verbindung zu bleiben.

Personen, Objekte & Ereignisse

  • Objekt

    Überwachung & Kontrolle

    Der Alltag in der Habsburgermonarchie war von Propaganda, Überwachung und Kontrolle gekennzeichnet. Die vielen „weißen“ Flecken in den Tageszeitungen zeugen davon ebenso wie Eingriffe in private Briefe und Telegramme. Gleichzeitig wurde durch Bild, Text und Ton versucht, ein einheitliches und kriegsbejahendes Stimmungsbild zu verbreiten. Ausgeschlossen davon waren nicht einmal die jüngsten Bewohner des Reiches; auch die Schulen der Monarchie wurden zu Orten der staatlichen Einflussnahme.

Entwicklungen

  • Entwicklung

    Alltag an der (Heimat) Front

    Wie gestaltete sich der Alltag in der Heimat und an den Fronten während der Jahre 1914 bis 1918? Lässt sich der Alltag einer bürgerlichen Frau mit jenem einer Arbeiterin vergleichen? Machte ein Offizier dieselben Fronterfahrungen wie ein Mannschaftssoldat? Oder müssen wir nicht eher davon ausgehen, dass wir es mit einer immensen Fülle an Einzelerlebnissen und -erfahrungen zu tun haben, die den Kriegsalltag der Bevölkerung und der Soldaten an den Fronten prägten?