Um die Truppen vor dem Wetter und der Witterung sowie vor dem Feind zu schützen, sollten möglichst gut konstruierte und praktisch ausgestattete Unterkünfte errichtet werden. In der Praxis konnte dieses Postulat je nach Kriegsschauplatz und klimatischen sowie geografischen Bedingungen nur unzureichend umgesetzt werden und hing davon ab, ob die Truppen in Bewegung, also auf dem Vor- oder Rückmarsch waren oder sich im sogenannten „Stellungskrieg“ befanden.
Das Spektrum der Unterkünfte reichte vom Übernachten im Freien und in Zeltlagern, der Einquartierung in durch Flucht oder Deportation der jeweils ortsansässigen Zivilbevölkerung verlassenen und daher frei gewordenen Gebäuden, der Errichtung von ganzen Barackensiedlungen bis hin zu Höhlensystemen, die weit in die Gipfel, ja sogar Gletscher der Südwestfront hinein errichtet wurden.
Verantwortlich für den Bau der Stellungsanlagen waren hauptsächlich speziell geschulte Einheiten wie Pioniere oder Sappeure, aber auch Soldaten aus der Infanterie waren an solchen Arbeiten beteiligt. Neben Kampfstellungen, Laufgräben und Verbindungswegen wurden ganze Unterkunftslager geschaffen. Sie bestanden aus Baracken für die Mannschaftssoldaten, Offiziershütten, Waschhäusern, Latrinen und Gebäuden in denen Lebensmittel, Munition, Werkzeug und Baumaterialien gelagert werden konnten. Daneben wurden diverse Kommunikationsmöglichkeiten geschaffen, wie Telefon- und Telegrafenstationen, welche die Verständigung und Informationsübermittlung gewährleisten sollten. Dazu verlegte man Telefonkabel und errichtete sogenannte Feldtelegrafen. Als weitere Kommunikationsmittel wurden sogar Brieftauben eingesetzt, ebenso wie Fahnen, Leuchtpatronen, Megaphone oder Alarmglocken, die vor allem zur Übermittlung von Alarmsignalen verwendet wurden.
Um die Sicherheit und den Schutz der Truppen möglichst zu gewährleisten, wurden Feldwachen und Horchposten eingesetzt, die bei Tag und Nacht und jeder Witterung Dienst taten. Sie hatten die Aufgabe zu beobachten, gegnerische Bewegungen und Angriffe zu erkennen und umgehend Alarm zu schlagen. „Alle vier bis acht Stunden“ sollten, so Isabelle Brandauer, die Wachen abgelöst werden, bei besonders schlechtem Wetter waren es kürzere Abstände. Am Col di Lana zum Beispiel sollte bei Schlechtwetter die Ablösung „jede halbe Stunde“ vor sich gehen. Wie sehr die Posten den Wetterverhältnissen vor allem im Winter ausgesetzt waren, wird anhand der folgenden Schilderung eines unbekannten Schreibers aus dem Jahr 1916 nachvollziehbar: „(…) Am meisten zu leiden hatte der Posten, der am kahlen Plateau dem Schneetreiben ausgesetzt war. Mit aller Gewalt musste er sich gegen die Macht des Windes stützen und die wirbelnden Flocken umhüllten in Eile die Gestalt. Nur kurze Zeit konnten die Posten draußen stehen, um dann wieder abgelöst zu werden. Es war nur Sicherung denn von Beobachtung konnte kein rede sein. Man sah ja keine drei bis vier Schritte weit. Oft kam es vor, dass der abzulösende Posten aus dem Schnee direkt herausgeschaufelt werden musste.“
Anders als in den Lagern im Flachland wurden in den Hochgebirgsstellungen Hütten an die felsigen Wände gebaut und mittels Sprengungen und Bohrmaschinen Kavernen in den Fels getrieben. Letztere wurden als besonders wichtig erachtet, da sie vor feindlichen Artilleriebeschüssen und deren Splittern schützten.
Wo ein solches Lager zu errichten war, hing in erster Linie von der örtlichen Beschaffenheit und von taktischen Überlegungen ab: So sollte es idealerweise nicht von gegnerischen Einheiten eingesehen werden können, nicht zu nahe an Flüssen oder Teichen stehen und auch möglichst vor Steinschlägen, Muren oder im Winter vor Lawinen geschützt sein. Prinzipiell befanden sich die Unterkünfte und Anlagen im ständigen Bauzustand; das Reparieren, Ausbauen oder Verbessern gehörte zu den täglichen Aufgaben der Truppen.
Bei der Durchführung der baulichen Tätigkeiten war man einerseits stark auf lokale Holzvorkommen und den Bestand anderer benötigter Ressourcen angewiesen. Andererseits mussten die Wege, auf denen das Baumaterial zu transportieren war, berücksichtigt und vor allem bewältigt werden. Gerade in den Hochgebirgsstellungen galt es Tausende von Höhenmetern zu überwinden, was mit Seilbahnen, Tragtieren und Trägern nur unter größten Mühen möglich war.
Brandauer, Isabelle: Menschenmaterial Soldat. Alltagsleben an der Dolomitenfront im Ersten Weltkrieg 1915–1917, Innsbruck 2007
Hämmerle, Christa: Soldaten, in: Labanca, Nicola/Überegger, Oswald (Hrsg.): Krieg in den Alpen. Österreich-Ungarn und Italien im Krieg, Wien/Köln/Weimar 2014, im Druck
Wachtler, Michael, Giacomel, Paolo, Obwegs, Günther: Dolomiten. Krieg, Tod und Leid, Bozen 2004
Zitate:
„Verantwortlich für den Bau …“: Brandauer, Isabelle: Menschenmaterial Soldat. Alltagsleben an der Dolomitenfront im Ersten Weltkrieg 1915–1917, Innsbruck 2007, 182
„Alle vier bis acht Stunden …“: Brandauer, Isabelle: Menschenmaterial Soldat. Alltagsleben an der Dolomitenfront im Ersten Weltkrieg 1915–1917, Innsbruck 2007, 42
„jede halbe Stunde“ : Brandauer, Isabelle: Menschenmaterial Soldat. Alltagsleben an der Dolomitenfront im Ersten Weltkrieg 1915–1917, Innsbruck 2007, 42
„(…) Am meisten zu leiden ...“: Kriegsarchiv (KA), Neue Feldakten (NFA), IR. 59. Kt. 569, Winter in 2.500 m Höhe im Gebiet der 3 Zinnen. Erlebnisbericht eines unbekannten Verfassers aus dem Jahr 1916, zitiert nach: Brandauer, Isabelle: Menschenmaterial Soldat. Alltagsleben an der Dolomitenfront im Ersten Weltkrieg 1915–1917, Innsbruck 2007, 226
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Kapitel
- Die Geschichtslosen?
- Der Weg an die Front
- Die Ernüchterung folgt auf dem Fuße
- Versorgung der Truppen – Mangel, Ersatz und Hunger
- Der Glanz der Montur erlischt
- (K)ein Dach über dem Kopf
- ‚Alltag‘ ohne Kampfgeschehen – ‚Alltag‘ trotz Kampfgeschehens
- Ein konfliktträchtiges Zusammensein
- Töten und getötet werden