Im Dienst für das Vaterland

Mobilisierung von Frauen an der „Heimatfront“ und ihr Einsatz für den Krieg

Die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges erreichten noch nie zuvor dagewesene Ausmaße. Der Krieg drang bis in die Lebensbereiche der Zivilbevölkerung vor, die Heimat selbst wurde zum Kriegsschauplatz erklärt. Auch Frauen und Kinder wurden dazu aufgerufen, sich in Kriegsfürsorge- und Kriegshilfevereinen aktiv am Krieg zu beteiligen und ihren Dienst für das Vaterland zu leisten.


 

Der Begriff der „Heimatfront“ kennzeichnet die auf den Krieg hin ausgerichteten Tätigkeiten der ‚Daheimgebliebenen’ und betont deren Bedeutung für den Kriegsfortgang. Die Grenze zwischen Front und Heimat fand daher in der Kriegsrealität keine Entsprechung, sie existierte vielmehr in der Vorstellungswelt der Soldaten und der um sie bangenden Frauen. Die massenhafte Beteiligung der weiblichen Bevölkerung – sei es als Arbeiterin in der Rüstungsindustrie oder als freiwillige Helferin im Heeresspital – relativiert daher die Vorstellung vom Krieg als männlichem Betätigungsfeld.

Der weibliche Teil der Bevölkerung wurde bereits zu Beginn des Krieges für den Dienst am Vaterland mobilisiert: „Wir rufen Österreichs Frauen zur Dienstleistung für die Kriegszeit auf! Strengste Solidarität muss in diesem Augenblick den Arbeitswillen aller Frauen zum Ausdruck bringen und alle Gegensätze müssen schweigen. […] Die Familie, die sich plötzlich ihres Ernährers beraubt sieht, soll durch Fraueneinigkeit, durch Frauenkraft und Frauenarbeit vor dem Äußersten bewahrt bleiben.“

Publiziert wurde dieser Aufruf von der Frauenhilfsaktion im Kriege, die sich wenige Tage nach Kriegsausbruch konstituierte. Dabei handelte es sich um einen Dachverband, unter dem sich verschiedene Frauenorganisationen, darunter die Reichsorganisation der Hausfrauen Österreichs, die Sozialdemokratische Frauenorganisation sowie der liberal-bürgerliche Bund österreichischer Frauenvereine, parteiübergreifend zusammenschlossen. Die Frauenhilfsaktion rief zur Einigkeit aller Frauen auf und verwies dabei auf die scheinbar typisch weiblichen Eigenschaften der Fürsorge und Mütterlichkeit. Sie veranstaltete Sammlungsaktionen für die Front, half arbeitslosen Frauen bei der Suche nach einer Beschäftigung und errichtete sogenannte Näh- und Strickstuben, wo Frauen gegen einen geringen Lohn Kleidung und Decken für Armee und Spitäler herstellten.

Auch materiell besser gestellte Frauen boten freiwillig ihre Kriegsdienste an und strickten beispielsweise unentgeltlich Handschuhe und Pulswärmer für die Soldaten an der Front. Die Not leidenden Arbeiterinnen sahen in den Näh- und Strickarbeiten der bürgerlichen oder adeligen Frauen eine Bedrohung ihrer ohnehin prekären Beschäftigungsverhältnisse.

Der von den Frauen ehrenamtlich geleistete Kriegshilfsdienst umfasste weiters die Anschaffung von Nahrung und Kleidung für verletzte Soldaten sowie die Fertigung von sogenannten „Liebesgaben“ – Paketen mit Labemitteln oder wärmenden Strickwaren. Diese wurden zur emotionalen Unterstützung der Soldaten an die Front versandt. Die Zeitungen druckten genaue Anleitungen für die Anfertigung von Fäustlingen, Leibbinden und Schneehauben. Aufgrund der mangelnden Ausstattung der Truppen wurden die von Frauen und Mädchen produzierten Näh- und Strickarbeiten zur Kriegsnotwendigkeit erklärt.

Die an der „Heimatfront“ in verschiedenen Bereichen der Kriegshilfe tätigen Frauen leisteten einen wesentlichen Beitrag zum Krieg. Obwohl ihre Aktivitäten eine noch nie zuvor dagewesene öffentliche Wertschätzung erfuhren und sowohl für den Staat als auch für die Volkswirtschaft als notwendig erachtet wurden, blieben die typischen Geschlechterrollen letztlich bestehen. Schließlich waren es abermals die vermeintlich weiblichen Tugenden des Opfersinns, der Liebesbereitschaft und Fürsorglichkeit, derentwegen die Frauen zum Dienst für das Vaterland gerufen wurden.

Bibliografie 

Bauer, Ingrid: Frauen im Krieg. Patriotismus, Hunger, Protest – weibliche Lebenszusammenhänge zwischen 1914 und 1918, in: Mazohl-Wallnig, Brigitte (Hg.): Die andere Geschichte 1. Eine Salzburger Frauengeschichte von der ersten Mädchenschule (1695) bis zum Frauenwahlrecht (1918), Salzburg 1995, 285-310

Granitsch, Helene: Kriegsdienstleistung der Frauen, Wien 1915

Hämmerle, Christa: „Wir strickten und nähten Wäsche für Soldaten…“ Von der Militarisierung des Handarbeitens im Ersten Weltkrieg, in: L´Homme. Zeitschrift für Feministische Geschichtswissenschaft (1992) 1, 88-128

Hämmerle, Christa: „Habt Dank, Ihr Wiener Mägdelein…“ Soldaten und weibliche Liebesgaben im Ersten Weltkrieg, in: L´Homme. Zeitschrift für Feministische Geschichtswissenschaft (1997) 1, 132-154

Hämmerle, Christa: „Zur Liebesarbeit sind wir hier, Soldatenstrümpfe stricken wir …“ Zu Formen weiblicher Kriegsfürsorge im Ersten Weltkrieg (unveröffentlichte Dissertation), Wien 1996

Healy, Maureen: Vienna and the Fall of the Habsburg Empire. Total War and Everyday Life in World War I, Cambridge 2004

Heeresgeschichtliches Museum: Die Frau im Krieg. Katalog zur Ausstellung vom 6. Mai bis 26. Oktober 1986, Wien 1986

 

Zitate:

„Wir rufen Österreichs Frauen …“: Aufruf der Frauenhilfsaktion im Kriege, zitiert nach: Granitsch, Helene: Kriegsdienstleistung der Frauen, Wien 1915, 8

Inhalte mit Bezug zu diesem Kapitel

Aspekt

Personen, Objekte & Ereignisse

Entwicklungen

  • Entwicklung

    Alltag an der (Heimat) Front

    Wie gestaltete sich der Alltag in der Heimat und an den Fronten während der Jahre 1914 bis 1918? Lässt sich der Alltag einer bürgerlichen Frau mit jenem einer Arbeiterin vergleichen? Machte ein Offizier dieselben Fronterfahrungen wie ein Mannschaftssoldat? Oder müssen wir nicht eher davon ausgehen, dass wir es mit einer immensen Fülle an Einzelerlebnissen und -erfahrungen zu tun haben, die den Kriegsalltag der Bevölkerung und der Soldaten an den Fronten prägten?

  • Entwicklung

    Geschlechterrollen: (k)ein Wandel?

    Dass der Erste Weltkrieg traditionelle Geschlechterrollen von Frauen und Männern ins Wanken brachte, ist eine weitverbreitete Ansicht. Fotografien von Straßenbahnschaffnerinnen, Fuhrwerkerinnen und Briefträgerinnen zeugen dem Anschein nach ebenso davon wie die durch den Krieg erzwungene und notwendige Übernahme der männlich gedachten Rolle des Ernährers und Versorgers durch die daheim gebliebenen Frauen. Aber gab es diesen Wandel tatsächlich und was blieb nach 1918 davon übrig?