Der ungarische Freiheitskrieg 1848/49

Im Vormärz machte sich in den ungarischen „patriotischen“ Kreisen ein Generationswandel bemerkbar: Eine junge, radikalere Strömung stellte zunehmend selbstbewusste nationale Forderungen an Wien und reklamierte für Ungarn eine besondere staatsrechtliche Stellung innerhalb der Monarchie.

Wien reagierte auf den zunehmenden Druck aus Ungarn mit Zugeständnissen und erfüllte 1844 die Forderung nach Einführung des Ungarischen als Verwaltungs- und Gerichtssprache – ungeachtet der Tatsache, dass die Bevölkerung zu fast zwei Dritteln aus Nicht-Magyaren bestand. Sofortige Proteste der anderen Sprachgruppen, besonders der Kroaten, die innerhalb Ungarns eine Sonderstellung innehatten, waren die Folge. Wien setzte auf die Unterstützung der anderen Völker, um den magyarischen Nationalismus zu dämpfen.

Dieser entwickelte jedoch immer stärkere separatistische Tendenzen. Im Zentrum dieser Bewegung stand Lájos Kossuth (1802–1891), Jurist und Herausgeber der Zeitschrift Pesti Hírlap (Pester Journal), die sich zum Sprachrohr der radikalen Opposition entwickelte und 1844 von der Wiener Regierung eingestellt wurde.

1847 wurde Kossuth Abgeordneter im ungarischen Landtag in Pressburg, wo er durch seine „Taufrede der Revolution“ am 3. März 1848 mit seiner leidenschaftlich vorgetragenen Forderung nach politischer Mitbestimmung und einer konstitutionellen Monarchie die Revolution in Gang setzte.

Der einberufene Reichstag, anfänglich eine Versammlung des Adels, wurde von den radikalen Intellektuellen um Kossuth „gekapert“ und zur ungarischen – nun bereits eindeutig im Sinne von magyarischen – Nationalversammlung umfunktioniert. Den übrigen Sprachgruppen im Land wurden nur halbherzige Zugeständnisse wie das Recht auf muttersprachlichen Unterricht gewährt. Kossuth lehnte alle weitergehenden Forderungen ab: Es gäbe für ihn nur eine Nation in Ungarn – die magyarische – und die anderen Nationalitätengruppen wären nur „anderssprachige Volksstämme“.

Dies führte zur Ablehnung der ungarischen Revolution bei den Vertretern der eben erst in das Stadium der Nationswerdung eingetretenen Kroaten, Slowaken, Serben, usw., die sich unter den Schutz der Wiener Zentralregierung stellten. Ein Bürgerkrieg war die Folge, der die magyarischen Kräfte schwächte, die zugleich einen Freiheitskampf gegen Wien führten. Die Situation eskalierte, als kroatischen Truppen unter Josip Graf Jelačić in Südungarn einmarschierten.

Kossuth, inzwischen zum Reichsverweser gewählt, übernahm die Führung und rief zur „Verteidigung des Vaterlandes“ auf. Eine revolutionäre Armee von 170.000 Mann, genannt Honvéd (Landwehr) wurde aufgestellt. Kossuth befahl den Marsch auf Wien, um den dortigen Oktoberaufstand gegen die habsburgische Reaktion militärisch zu unterstützen. In Schwechat bei Wien wurden die ungarischen Einheiten von den Truppen Jelačićs zurückgeschlagen, die nach Österreich vorgerückt waren.

Während in Wien die Revolution mit der Eroberung der Stadt durch die kaiserliche Armee am 31. Oktober 1848 niedergeschlagen wurde, ging in Ungarn der Unabhängigkeitskrieg weiter. Am 14. April 1849 vollzog man den Bruch mit dem Haus Habsburg, als Franz Joseph als ungarischer König für abgesetzt erklärt wurde. Zunächst konnten die Honvéd-Truppen Erfolge erringen: Nach der Eroberung von Ofen (ungar.: Buda) im Mai 1849 standen große Teile des Landes unter der Kontrolle der Revolutionäre.

Die Situation im Land war aber sehr labil: Die Revolution galt als Unabhängigkeitskrieg der Magyaren, und die fehlende Unterstützung der Ziele der ungarischen Separatisten unter den nicht-magyarischen Nationalitäten machte sich bemerkbar. Die andauernden Kämpfe von rumänischen, slowakischen und serbischen Freischärlern gegen die Honvéd-Truppen führten zu großem Blutvergießen. Nationaler Hass baute sich auf: Anschläge auf lokale Vertreter der verhassten ungarischen Staatsmacht wurden von Revolutionsgerichten mit Massenexekutionen geahndet, und die ungarischen Honvéd-Verbände reagierten auf die Guerilla-Methoden ihrer Gegner mit dem Niederbrennen ganzer Dörfer.

Das Ende der ungarischen Unabhängigkeitsbestrebungen war gekommen, nachdem die Erfolge der österreichischen Armee in Italien dem Wiener Hof mehr Bewegungsfreiheit gaben. Der junge Kaiser Franz Joseph bat Russland um Hilfe, und Zar Nikolaus I. willigte sofort ein, denn die Kunde von der Revolution in Ungarn hatte bereits die Lage im russisch besetzten Polen angeheizt. Der geballten Macht der russischen Armee hatten die magyarischen Idealisten wenig entgegenzusetzen. Der ungarische Freiheitskrieg endete am 13. August 1849 mit der Kapitulation der Revolutionsarmee in Világos bei Arad. 

Bibliografie 

Hanák, Péter: Die Geschichte Ungarns. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Essen 1988

Markus, Adam: Die Geschichte des ungarischen Nationalismus, Frankfurt/Main u. a. 2013

Rumpler, Helmut: Eine Chance für Mitteleuropa. Bürgerliche Emanzipation und Staatsverfall in der Habsburgermonarchie [Österreichische Geschichte 1804–1914, hrsg. von Herwig Wolfram], Wien 2005

Tóth, István György (Hrsg.): Geschichte Ungarns, Budapest 2005

Inhalte mit Bezug zu diesem Kapitel

Aspekt

  • Aspekt

    „Viribus unitis“ oder Völkerkerker?

    Der Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn bildete einen mehr oder weniger stabilen Rahmen für die Koexistenz einer Vielzahl nationaler Gemeinschaften.

    Die viel beschworene „Einheit in der Vielfalt“ wurde in der Realität von zahlreichen Ungleichheiten überschattet. Dies zeigte sich vor allem im unterschiedlichen Ausmaß, in dem einzelne Sprachgruppen an der politischen und ökonomischen Macht beteiligt waren.

Personen, Objekte & Ereignisse

  • Ereignis

    Revolution 1848

    Studenten fordern die Freiheit für Presse und Lehre. Arbeiter protestieren gegen die unhaltbaren Zustände. Es beginnt eine Reihe von Aufständen gegen das Regime Metternich, die zahlreiche Opfer fordern.

Entwicklungen

  • Entwicklung

    Der Weg zur Nation – Nationale Programme und Positionen

    Das ‚Werden der Nationen’ war in Europa Teil des Emanzipationsprozesses breiterer Bevölkerungsschichten aus feudaler Bevormundung. Gemäß den Idealen der Aufklärung und der Französischen Revolution sollte die Nation – nun verstanden als Gemeinschaft freier Bürger – anstelle feudaler Potentaten die Rolle des eigentlichen Souveräns übernehmen.

    Die Idee der Nation wurde als Schicksalsgemeinschaft definiert, die durch gemeinsame Abstammung, Kultur und Sprache verbunden war. Zur Stärkung des Gruppengefühls wurde eine verbindliche Sicht der Geschichte der eigenen Nation geschaffen.