„Embedded Photography“: Kriegsfotografen als Teil der militärischen Logistik

In den Kriegen des 19. Jahrhunderts konnten FotografenInnen aufgrund des erheblichen Aufwandes des Fotografierens das kriegerische Geschehen bloß am Rande beobachten. Die FrontfotografInnen des Ersten Weltkrieges gehörten hingegen zum fixen Bestandteil der militärischen Gruppen.

Zu Kriegsbeginn wurden Frontfotografen von der Heeresleitung in erster Linie für militärische Zwecke eingesetzt. Ihre Bilder dienten als technisches Hilfsmittel bei der Ausrichtung von Waffen, wurden zur militärischen Aufklärung genutzt und sollten die Artillerie unterstützen. Erst in zweiter Linie wurde die Presse mit propagandistisch wirksamen Eindrücken von der Front beliefert, allerdings gewann dieser Aspekt mit Kriegsverlauf zunehmend an Bedeutung.

Durch das System der Akkreditierung einiger weniger offizieller Frontfotografen sicherte sich das Kriegspressequartier seinen Kontrollanspruch über die visuelle Medialisierung des Krieges. Die ersten Fotoreporter wurden aus dem k. u. k. Militärgeographischen Institut in Wien rekrutiert, bald schon kamen Berufs- und Pressefotografen hinzu. Erstere erstellten vorrangig Vermessungsbilder sowie Aufklärungsfotografien und waren für die Dokumentation der Kriegsschauplätze zuständig. Pressefotografen, die vom Kriegspressequartier angeheuert wurden und diesem als Mitglieder der Kunstgruppe unterstellt waren, lieferten propagandistisch nutzbare Aufnahmen.

Die offiziellen Kriegsfotografen arbeiteten mit schweren Plattenkameras, nutzten Stative und verwendeten als Negativmaterial Gelatinetrockenplatten im Format 13 x 18 oder 9 x 12 cm. Die Ausrüstung war teuer und unhandlich, weshalb einige von ihnen zusätzlich leichtere Rollfilmkameras mit sich führten. Kurierdienste der Militärverwaltung organisierten die Versorgung mit Platten und Filmen.

Die Anbindung an das Militär zeigte sich thematisch in der Bilderwelt der offiziellen Kriegsfotografen. Sie waren auf die militärische Logistik angewiesen, nutzten die Hauptverkehrswege des Heeres und fotografierten entlang der Nachschubwege. Aufgrund ihrer schweren Ausrüstung konnten sie kaum das vorgezeichnete Wegenetz des Militärs verlassen und lichteten vorrangig militärische Schauplätze ab.

Zugleich prägte die Anwesenheit der FotografInnen und Kameramänner die Situation an der Front: Soldaten posierten vor der Linse, führten Schaukämpfe vor und inszenierten den Krieg der modernen Bildästhetik folgend. So entstand eine ganze Reihe von Aufnahmen, die inszenierte militärische Abläufe und Übungen festhielten, in der Presse jedoch als Abbildungen tatsächlicher Kämpfe ausgegeben wurden und sie in einen vollkommen neuen narrativen Kontext stellten. Angesichts der Propaganda trat der dokumentarische Anspruch der offiziellen Fotografie in den Hintergrund.

Bibliografie 

Holzer, Anton: Die andere Front. Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg, Darmstadt 2007

Holzer, Anton: „Üb Aug‘ und Hand fürs Vaterland!“ Österreichische Kriegsfotografie im Ersten Weltkrieg, in: Fuchs, Martina u.a. (Hrsg.): Geschichte in Bildern? Wiener Zeitschrift zur Geschichte der Neuzeit (2006), 2, 87-98

Holzer, Anton (Hrsg.): Mit der Kamera bewaffnet. Krieg und Fotografie, Marburg 2003

Paul, Gerhard: Bilder des Krieges – Krieg der Bilder. Die Visualisierung des modernen Krieges, München 2004

Inhalte mit Bezug zu diesem Kapitel

Aspekt

  • Aspekt

    Der industrialisierte Krieg

    Der Erste Weltkrieg war ein Krieg des enormen Materialeinsatzes. Die Armeen mit ihren Massenheeren mussten ausgerüstet und versorgt werden. Die Materialschlachten wären ohne die großindustrielle Herstellung von Waffen und anderen kriegsnotwendigen Produkten unmöglich gewesen. Nur durch die gesamtgesellschaftliche Mobilisierung aller zur Verfügung stehenden Ressourcen konnte die riesige Kriegsmaschinerie aufrechterhalten werden.

Personen, Objekte & Ereignisse

  • Objekt

    Überwachung & Kontrolle

    Der Alltag in der Habsburgermonarchie war von Propaganda, Überwachung und Kontrolle gekennzeichnet. Die vielen „weißen“ Flecken in den Tageszeitungen zeugen davon ebenso wie Eingriffe in private Briefe und Telegramme. Gleichzeitig wurde durch Bild, Text und Ton versucht, ein einheitliches und kriegsbejahendes Stimmungsbild zu verbreiten. Ausgeschlossen davon waren nicht einmal die jüngsten Bewohner des Reiches; auch die Schulen der Monarchie wurden zu Orten der staatlichen Einflussnahme.