Wer fotografiert den Krieg? Knipser, Amateure, Fronttouristen

Durch die massenhafte Verbreitung und Nutzung der Fototechnik kam es zur Zeit des Ersten Weltkriegs zu einer 'Demokratisierung' der Fotografie – ein Phänomen, welches das 20. Jahrhundert prägen sollte.

Die Amateurfotografie erlangte durch den Krieg einen ungeahnten Aufschwung. Ermöglicht durch die Erfindung preiswerter Rollfilm- und Handkameras und drucktechnischer Entwicklungen, stieg der Verkauf von Kameras mit Kriegsbeginn 1914 sprunghaft an. Zudem förderte der Aufschwung der illustrierten Presse die Verbreitung der Fotografie. Sie stellte einen visuellen Rahmen zur Verfügung, in dem die Abbildungen gezeigt werden konnten. Damit begann sich der Fotojournalismus als eigener Geschäftszweig zu etablieren.

Zu Kriegsbeginn überschlugen sich die Tageszeitungen mit neuesten Nachrichten aus den Kriegsgebieten und die Nachfrage nach illustrativen Bildern war groß. Zugleich waren Aufnahmen vom Kriegsgeschehen rar. Noch gab es keine offiziell akkreditierten Fotografen, nur einige Soldaten waren mit Kameras im Gepäck an die Front gezogen. Sie begannen, aus den Schützengräben ein Geschäft mit ihren Fotografien zu betreiben. Schon bald reisten auch Amateur- und BerufsfotografInnen an die Front, um sich an dem regen Handel zu beteiligen.

Der Umgang mit FotografInnen an der Front war in den Krieg führenden Ländern sehr unterschiedlich. In Großbritannien beispielsweise war einfachen Soldaten das Mitführen von Kameras strengstens untersagt, für das gesamte Frontgebiet galt ein rigides Fotografierverbot. Die Armeeführung Österreich-Ungarns hingegen forcierte das Fotografieren an der Front. Vor allem in der zweiten Kriegshälfte wurden Offiziere und Soldaten aufgefordert, das Geschehen fotografisch festzuhalten und die Aufnahmen dem Kriegspressequartier zukommen zu lassen. Amateurfotografen mussten sich vom jeweiligen Armeekommando eine Legitimation erteilen lassen, die für jeweils drei Monate ausgestellt wurde. Dafür wurde ihnen die Vergütung der Materialkosten in Aussicht gestellt. Belobungsdekrete und Ehrenpreise boten zusätzliche Anreize.

Die Mobilisierung der Amateurfotografen geschah, weil die offiziell akkreditierten FotografInnen den gestiegenen Bilderbedarf nicht mehr decken konnten. Infolgedessen entschied sich das Kriegspressequartier unter Wilhelm Eisner-Bubnas zur Strategieumkehr: Es regte zur breiten Bildproduktion an, etablierte aber zugleich eine zentralisierte Zensur aller Bilder des Krieges. Diese Entscheidung markiert einen wichtigen Einschnitt in der Bildpropaganda des Ersten Weltkrieges.

Dennoch fotografierten viele Soldaten ‚ihren Krieg‘ für die Daheimgebliebenen weiter. Ihnen dienten die Fotografien als Erinnerungsstütze und Kommunikationsbrücke. Sie zeigten häufig eine Facette des Krieges, die in den offiziellen Kriegsdarstellungen ausgeklammert wurden. Allerdings wurden diese Bilder erst im Nachkriegsdiskurs relevant, da sie selten publiziert und deshalb kaum einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurden.

Bibliografie 

Carmichael, Jane: First World War Photographers, London/New York 1989

Holzer, Anton: Die andere Front. Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg, Darmstadt 2007

Hüppauf, Bodo: Fotografie im Ersten Weltkrieg, in: Spilker, Rolf/Ulrich, Bernd (Hrsg.): Der Tod als Maschinist. Der industrialisierte Krieg 1914–1918. Eine Ausstellung des Museums Industriekultur Osnabrück im Rahmen des Jubiläums „350 Jahre Westfälischer Friede“ 17.Mai-23.August 1998, Osnabrück 1998, 108-123

Von Dewitz, Bodo: Zur Geschichte der Kriegsphotographie des Ersten Weltkrieges, in: Roth, Rainer (Hrsg.): Die letzten Tage der Menschheit. Eine Ausstellung des Deutschen Historischen Museums, Berlin, der Barbican Art Gallery, London, und der Staatlichen Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz in Verbindung mit dem Imperial War Museum, London, Berlin 1994, 163-176

Inhalte mit Bezug zu diesem Kapitel

Personen, Objekte & Ereignisse

  • Objekt

    Überwachung & Kontrolle

    Der Alltag in der Habsburgermonarchie war von Propaganda, Überwachung und Kontrolle gekennzeichnet. Die vielen „weißen“ Flecken in den Tageszeitungen zeugen davon ebenso wie Eingriffe in private Briefe und Telegramme. Gleichzeitig wurde durch Bild, Text und Ton versucht, ein einheitliches und kriegsbejahendes Stimmungsbild zu verbreiten. Ausgeschlossen davon waren nicht einmal die jüngsten Bewohner des Reiches; auch die Schulen der Monarchie wurden zu Orten der staatlichen Einflussnahme.