Verwundetentransporte, Verpflegung und Betreuung

Von der Mobilmachung an entstanden erhebliche Engpässe bei den Transportmitteln, die großteils von der Heeresverwaltung in Beschlag genommen wurden. Dieses Problem betraf auch Krankentransporte in der Stadt für die mehr und mehr Straßenbahnen herangezogen wurden, wenn nicht überhaupt manche Krankenanstalten direkte Eisenbahn-Gleisanschlüsse erhielten.

Von den Verwundetentransporten lag nur der Transport nichtinfektiöser Kranker im Aufgabenbereich der Militärverwaltung. Transporte von Infektionskranken und Zivilisten wurden über die Transportstationen der Gemeinde Wien abgewickelt. Bei Kriegsbeginn standen 48 Krankentransportwagen mit Pferdebespannung und drei Kraftwagen zur Verfügung. Weitere elf Automobile wurden während des Krieges angeschafft. Weiters wurden Stellwagen und Straßenbahnwagen für Krankentransporte umgebaut. Das war auch dringend nötig, denn schon im August 1914 wurden Autos, Gummireifen und Schläuche konfisziert. Nach und nach machte sich auch eine Knappheit an Kutschern und Pferden bemerkbar, sodass der Individualverkehr zum Erliegen kam. Seitens der Militärverwaltung versuchte man, möglichst durch direkte Gleisanschlüsse der Spitäler und Lazarette an das Eisenbahnnetz das Transportproblem zu lösen. Durch den eklatanten Mangel an Individualverkehrsmitteln übernahm in immer größerem Maß die Wiener Straßenbahn die Verwundetentransporte mittels Sonderzügen, bald mehr oder minder als einziges zur Verfügung stehendes Massenverkehrsmittel. Anfangs stand sogar ein Dreiwagenzug der städtischen Straßenbahnen für Stadtrundfahrten genesender Soldaten zur Verfügung.

Die Versorgung der rekonvaleszenten Soldaten in den Spitälern und Lazaretten war in den ersten Kriegsjahren nicht nur besser als in den Frontspitälern, sondern lag sicherlich auch über dem Durchschnitt der Ernährungslage der städtischen Unterschichten. Besonders in einigen Ersatzspitälern dürfte die Verpflegung nicht zuletzt durch private Spenden vergleichsweise gut gewesen sein. Dementsprechend suggerieren zeitgenössische Bilder, dass die Verwundeten dort „aufgepäppelt“ wurden und gut genährt die Krankenanstalten wieder verlassen konnten. Die wachsende Zahl an Kriegsinvaliden versuchte die Propaganda vorerst zu vertuschen. Mit Fortdauer des Krieges wurden erfolgreich therapierte „Kriegsbeschädigte“ vorgezeigt, Mitleid war dabei nicht angesagt. Vor allem in den beiden letzten Kriegsjahren machte sich jedoch das cisleithanische Versorgungsdesaster auch in den Krankenanstalten bemerkbar. In den letzten Kriegsmonaten litten Pflegepersonal und Patienten unter schwerer Unterernährung.

Die Betreuung der Verwundeten wurde propagandistisch ausgeschlachtet. Weibliche Mitglieder der kaiserlichen Familie übernahmen publikumswirksam Samariterdienste. Zu ihnen zählten insbesondere einige Erzherzoginnen, wie die Erzherzogin Maria Theresia. Das Kaiserhaus stand damit keineswegs alleine. Eine wahre Flut von organisierten Wohltätigkeitsveranstaltungen für Verwundete und Invalide fand statt, immer neue Charity-Ideen wurden geboren. Tatsächliche Hilfsdienste in den Spitälern leisteten jedoch nur ganz wenige Angehörige der Oberschicht.

Bibliografie 

Békési, Sándor: Straßenbahnstadt wider Willen oder zur Verkehrsmobilität im Hinterland, in: Pfoser, Alfred/Weigl, Andreas (Hrsg.): Im Epizentrum des Zusammenbruchs. Wien im Ersten Weltkrieg, Wien 2013, 452–461

N.ö. Handels- und Gewerbekammer in Wien: Bericht über die Industrie, den Handel und die Verkehrsverhältnisse in Niederösterreich während der Jahre 1914-1918, Wien 1920

Weigl, Andreas: Eine Stadt stirbt nicht so schnell. Demographische Fieberkurven am Rande des Abgrunds, in: Pfoser, Alfred/Weigl, Andreas (Hrsg.): Im Epizentrum des Zusammenbruchs. Wien im Ersten Weltkrieg, Wien 2013, 62–71

Weigl, Andreas: Mangel – Hunger – Tod. Die Wiener Bevölkerung und die Folgen des Ersten Weltkriegs (Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs Reihe B: Heft 90), Wien 2014

Inhalte mit Bezug zu diesem Kapitel

Aspekt

Personen, Objekte & Ereignisse

  • Objekt

    Kriegsinvalidität

    Wie kein anderer Krieg zuvor ließ der Erste Weltkrieg ein Heer von verwundeten, erkrankten und für ihr Leben gezeichneten Männern zurück. Mechanische Behelfsmittel wie diese Schreibhilfe sollten die körperliche Funktionalität der Kriegsbeschädigten wiederherstellen und deren Reintegration in den Arbeitsmarkt gewährleisten. Wie groß die Zahl derer aber tatsächlich war, die verwundet oder erkrankt von der Front zurückkehrten, war selbst Jahre nach dem Krieg nicht bekannt. 1922 dürften in Österreich etwa 143.000 Kriegsbeschädigte gelebt haben.

  • Objekt

    Überwachung & Kontrolle

    Der Alltag in der Habsburgermonarchie war von Propaganda, Überwachung und Kontrolle gekennzeichnet. Die vielen „weißen“ Flecken in den Tageszeitungen zeugen davon ebenso wie Eingriffe in private Briefe und Telegramme. Gleichzeitig wurde durch Bild, Text und Ton versucht, ein einheitliches und kriegsbejahendes Stimmungsbild zu verbreiten. Ausgeschlossen davon waren nicht einmal die jüngsten Bewohner des Reiches; auch die Schulen der Monarchie wurden zu Orten der staatlichen Einflussnahme.

  • Objekt

    Mangel und Elend

    Als im Jänner 1915 die Bevölkerung auf ausbleibende Brot- und Mehllieferungen mit Panikkäufen reagierte, führte die Kriegs-Getreide-Verkehrsanstalt das Bezugskartensystem ein. Pro-Kopf-Quoten wurden festgesetzt und über Brot- und Mehlkarten verteilt. Doch selbst die zugewiesenen Rationen konnten angesichts der Krise immer seltener ausgegeben werden und die Papierscheine erwiesen sich als wertlos.