Der Kampf der Slowenen um ihre Sprache

Auch bei den Slowenen war die Sprache zum wichtigsten Abgrenzungsmerkmal von den „Anderen“ geworden. Im Zeitalter der Nationalismen stand bei ihnen als einer der kleineren Ethnien der Region der Kampf um Emanzipation und Gleichberechtigung auf sprachlichem Gebiet im Vordergrund.

In der Mitte des 19. Jahrhunderts war der Prozess der Bildung der modernen slowenischen Hochsprache abgeschlossen. Sprachreformen schufen aus verschiedenen ländlichen Dialekten und der verschütteten Tradition einer slowenischen Bibelsprache der Reformationszeit – der lutherische Prädikant Primož Trubar (1508–1586) gilt hier als Pionier der Verschriftlichung der slowenischen Dialekte – eine verbindliche Standardsprache. Literaten wie France Prešeren (1800–1849) und Fran Levstik (1831–1887) fanden in neu gegründeten Lese- und Bildungsvereinen ihr Publikum. Für die Schaffung einer nationalbewussten slowenischen Öffentlichkeit war die 1852 erfolgte Gründung der Verlagsgesellschaft Hermagorasbruderschaft (slowen.: Društvo sv. Mohorjeva) von großer Bedeutung.

Die Sprache wurde nun zum primären Differenzierungsmerkmal und ersetzte die bisherige, im Landesbewusstsein verankerte Identität als Krainer, Steirer oder Kärntner. Dass die Slowenen nun auch von Außenstehenden als eigene Sprachnation gesehen wurden, ist am Auftreten des modernen Begriffes „Slowene“ zu erkennen. Bis weit ins 19. Jahrhundert wurden Sprecher der slawischen Dialekte im Ostalpenraum im Deutschen als Wenden oder Windische bezeichnet. Diese Benennung wurde nun durch die Eigenbezeichnung Slowenen – von slowenisch slovenci – ersetzt. Die Bedeutung der historischen Bezeichnung „Windische“ wurde nun pejorativ für ans Deutschtum assimilierte oder assimilierungsbereite Slowenen besetzt.

Unter den Slowenen dominierte das Selbstbild als Bauernvolk, das in der dörflichen Welt verankert war. Daraus sprach die Erfahrung, dass gebildete und städtische Schichten der slowenischen Gesellschaft der kulturellen Assimilation an die dominierenden Sprachen Deutsch und Italienisch stärker ausgesetzt waren. Daher lag der Schwerpunkt der Arbeit der slowenischen nationalen Politik auf dem bäuerlichen Genossenschaftswesen und in dörflichen Vereinen.

Ein besonders sensibler Bereich war das Schulwesen. Im Laufe des 19. Jahrhunderts konnten große Erfolge bei der Alphabethisierung der zuvor größtenteils illiteraten Bevölkerung Krains erzielt werden. In den slowenischsprachigen Gebieten der Steiermark, Kärntens und des Küstenlandes kämpfte man gegen den starken Assimilierungsdruck, da das Schulwesen hier vorwiegend auf dem Primat der deutschen bzw. italienischen Unterrichtssprache aufgebaut war. Hier galt es, ein flächendeckendes Netzwerk slowenischsprachiger Bildungsinstitutionen zu schaffen. Ein eklatanter Mangel herrschte weiterhin an höheren Bildungsinstitutionen wie Gymnasien und Hochschulen mit slowenischer Unterrichtssprache.

Das Schulwesen war auch Schauplatz der radikalisierten Nationalitätenproblematik. Nationale Schulvereine kämpften um die Erhaltung des jeweiligen „Volksbodens“, was zu einer Verhärtung der Fronten in Kärnten und der Steiermark führte und schließlich 1895 im Cillier Schulstreit eskalierte, als die örtlichen slowenischen Politiker die Einrichtung slowenischsprachiger Parallelklassen im Gymnasium der untersteirischen Stadt Cilli (slowen.: Celje) forderten, die eine deutsche Sprachinsel im slowenischen Umland bildete. Diese selbstbewusste Forderung nach Gleichberechtigung stellte die herkömmliche Hierarchie der Sprachen in der Region infrage, was von deutschnationaler Seite als Frontalangriff auf das „Deutschtum“ hochgespielt wurde. Die jeglichen rationalen Rahmen übersteigenden Reaktionen wuchsen sich zu einer politischen Krise aus, deren Schockwellen die gesamte Monarchie erschütterten. 

Bibliografie 

Pleterski, Janko: Die Slowenen, in: Wandruszka, Adam/Urbanitsch, Peter (Hrsg.): Die Habsburgermonarchie 1848–1918, Band III: Die Völker des Reiches, Wien 1980, Teilband 2, 801–838

Rumpler, Helmut: Eine Chance für Mitteleuropa. Bürgerliche Emanzipation und Staatsverfall in der Habsburgermonarchie [Österreichische Geschichte 1804–1914, hrsg. von Herwig Wolfram], Wien 2005

Štih, Peter/Simoniti, Vasko/Vodopivec, Peter: Slowenische Geschichte. Gesellschaft – Politik – Kultur, Graz 2008

Inhalte mit Bezug zu diesem Kapitel

Aspekt

  • Aspekt

    „Viribus unitis“ oder Völkerkerker?

    Der Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn bildete einen mehr oder weniger stabilen Rahmen für die Koexistenz einer Vielzahl nationaler Gemeinschaften.

    Die viel beschworene „Einheit in der Vielfalt“ wurde in der Realität von zahlreichen Ungleichheiten überschattet. Dies zeigte sich vor allem im unterschiedlichen Ausmaß, in dem einzelne Sprachgruppen an der politischen und ökonomischen Macht beteiligt waren.

Entwicklungen

  • Entwicklung

    Der Weg zur Nation – Nationale Programme und Positionen

    Das ‚Werden der Nationen’ war in Europa Teil des Emanzipationsprozesses breiterer Bevölkerungsschichten aus feudaler Bevormundung. Gemäß den Idealen der Aufklärung und der Französischen Revolution sollte die Nation – nun verstanden als Gemeinschaft freier Bürger – anstelle feudaler Potentaten die Rolle des eigentlichen Souveräns übernehmen.

    Die Idee der Nation wurde als Schicksalsgemeinschaft definiert, die durch gemeinsame Abstammung, Kultur und Sprache verbunden war. Zur Stärkung des Gruppengefühls wurde eine verbindliche Sicht der Geschichte der eigenen Nation geschaffen.