Vor dem Ersten Weltkrieg versuchten sich in Österreich ungefähr ein halbes Dutzend Unternehmen im Flugzeugbau, die alle wieder aufgeben mussten.

Eine nachhaltigere Entwicklung setzte der Flugzeugkonstrukteur Igo Etrich in Gang. Im April 1910 erfolgte in Wiener Neustadt der Jungfernflug seines erfolgreichen Modells Etrich II „Taube“. Dieses Flugzeug war nicht sehr wendig, wies aber stabile Flugeigenschaften auf. Etrich ließ es angesichts der großen Nachfrage ab 1910 in der Wagenfabrik von Ludwig Lohner (Wien) in Serie fertigen und verkaufte die Patente für Österreich-Ungarn an die Motorluftfahrzeuggesellschaft (MLG). Diese hatte der aus Triest stammende Unternehmer Camillo Castiglioni im April 1909 zusammen mit der österreichischen Daimler Motorengesellschaft gegründet. Bei Daimler entwickelte Ferdinand Porsche die ersten österreichischen Flugzeugmotoren. Damals kam es zu einer engen Verbindung zwischen der MLG und Lohner. Die Lohner-Werke bauten Flugzeuge, die MLG übernahm exklusiv den Vertrieb gegen eine Provision von 15 %. Dafür zahlte sie zwei Drittel der Kosten des Flugzeug-Entwicklungsbüros bei Lohner. Dort entwarf man u.a. das erfolgreiche Modell „Pfeilflieger“ und Wasserflugzeuge für die Marine. Castiglioni und Lohner gründeten gemeinsam die Ungarische Flugzeugwerke AG (Ufag) und expandierten 1914/15 ins Deutsche Reich, wo sie aus drei Gesellschaften die Hansa-Brandenburgische Flugzeugwerke AG bildeten. Die beiden Unternehmer erlangten eine Monopolstellung im österreichischen Flugzeugbau, bald brachen jedoch heftige Konflikte zwischen den sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten aus. Lohner entstammte einer traditionsreichen Wiener Unternehmerfamilie, Castiglioni war ein Selfmademan aus Triest. Beide versuchten die Kontrolle über die gesamte Gruppe zu erlangen. 1915 kaufte Castiglioni Lohner aus MLG und Ufag aus, Verträge über den Verkauf von Lohner-Flugzeugen durch die MLG blieben vorerst noch aufrecht. Weitere Konflikte folgten, die erst 1917 von einem Schiedsgericht geklärt wurden.

Die Luftfahrtruppen erachteten die Monopolmacht von Castiglioni und Lohner als bedenklich. Um einen Gegenakzent zu setzen, begannen sie im Jahr 1912, im Fliegerarsenal Fischamend selbst Etrich-Tauben zu fertigen. Konflikte zwischen der Luftschifferabteilung und Castiglioni waren damit programmiert. Durchaus im Sinne der militärischen Stellen war auch, dass sich neben Lohner und Ufag bis 1916 mehrere weitere Flugzeugwerke in Österreich-Ungarn etablierten: 1914: Albatros – Phönix (ursprünglich Tochterunternehmen der deutschen Albatroswerke, ab 1915/16 unter Kontrolle von Castiglioni, 1917 in Phönix Flugzeugwerke AG umgewandelt), 1914: Österreichisch-Ungarische Flugzeugfabrik Aviatik GmbH (Wien, Tochterunternehmen der deutschen Aviatik AG), 1914: Ungarische Lloyd Flugzeug- und Motorenfabrik AG (Ungarn, Tochterunternehmen der Deutschen Flugzeugwerke – DFW), 1914: Thöne & Fiala (Wien), 1915: Oeffag – Oesterreichische Flugzeugfabrik AG (Wiener Neustadt, eng mit dem Skoda-Konzern verbunden), 1886/1916: MAG – Ungarische Allgemeine Maschinenfabrik (Flugzeugbau ab 1916) und 1913/16: WKF – Wiener Karosserie- und Flugzeugfabrik Dr. Wilhelm von Gutmann (Flugzeugbau ab 1916).

Bibliografie 

Gutsjahr, Martin: Die Rüstungsunternehmen Österreich-Ungarns vor und im Ersten Weltkrieg, Dissertation an der Universität Wien, Wien 1995

Heinkel, Ernst: Stürmisches Leben, Oberhaching 1998

Keimel, Reinhard: Luftfahrzeugbau in Österreich. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Enzyklopädie, Oberhaching 2003

Steinböck, Erwin: Lohner zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Die Geschichte eines industriellen Familienunternehmens von 1823 bis 1970, Graz 1982

Stiefel, Dieter: Camillo Castiglioni: oder Die Metaphysik der Haifische, Wien 2013

Treadwell, Terry C.: German and Austro-Hungarian Aircraft Manufacturers 1908-1918, Chalford 2010

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