Erst elf Jahre vor dem Ersten Weltkrieg war der erste Motorflug geglückt. Die gesamte Industrie befand sich noch in einer stürmischen Entwicklungsphase, in der zahlreiche Unternehmen im Innovationswettbewerb standen.

Als im Sommer 1914 der Erste Weltkrieg begann, war die motorisierte Luftfahrt erst ein gutes Jahrzehnt alt. Die Industrie befand sich noch im Stadium einer sehr jungen Technologie – ähnlich wie der Automobilbau dieser Zeit oder die Erzeugung von Kleincomputern in den 1970er Jahren. Es hatten sich noch keine etablierten Bauformen, Standards und Geschäftsusancen herausgebildet, alles war noch im Fluss. Auf dieser technologischen Entwicklungsstufe boten sich für neue Unternehmen große Chancen, es herrschten aber auch hohe Risiken. Nur wenige der Pionierfirmen konnten bis zum Stadium der Massenproduktion überleben, viele wurden, ohne jemals Gewinne erzielt zu haben, wieder ausgeschieden.

Luftfahrt mit Ballons wurde seit dem späten 18. Jahrhundert praktiziert (Brüder Montgolfier), Versuche mit Gleitflugzeugen folgten ab dem späten 19. Jahrhundert (Otto Lilienthal, Octave Chanute, Augustus M. Herring). Die gewonnenen Erkenntnisse über den dynamischen Auftrieb und die Konstruktion leichter, leistungsfähiger Verbrennungsmotoren schufen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts die Voraussetzungen für den Motorflug.

Nach 1900 bastelten die Brüder Wright in den USA an einem motorisierten Fluggerät, mit dem sie 1903 erste Flüge über Strecken von wenigen 100 Metern schafften. Danach setzte eine rasche Weiterentwicklung ein. Pioniere in Europa und Nordamerika experimentierten mit verschiedensten Bauformen. Als Baumaterialien dominierten Holz, Stoff und Sperrholz sowie teilweise Stahl und Aluminium für Rahmenkonstruktionen. Zu Recht galten diese frühen Flugzeuge noch als „fliegende Kisten“. Bei den Flügelformen orientierte man sich teilweise an Vorbildern aus der Natur (Vogelflug bzw. vom Wind verbreitete Pflanzensamen), rasch entwickelte sich aber auch das Ingenieurwissen über die Prinzipien des Auftriebs und entsprechende aerodynamische Gestaltung weiter.

Auch bei den Motoren war eine rasante Entwicklung im Gange. Mussten die Gebrüder Wright noch mit einem Aggregat auskommen, das gerade 16 PS/12 kW leistete, so waren in den Flugzeugen zehn Jahre später Maschinen mit teilweise schon mehr als 100 PS/74 kW verbaut. Des Weiteren benötigte man auch geeignete Propeller, Bordinstrumente sowie Spezialkleidung, Uhren, Fallschirme etc., sodass eine Vielzahl von Zulieferern in die entstehende Flugzeugindustrie involviert wurde. Die vielen Innovationen im System Flugzeug führten zu einer raschen Steigerung aller Leistungsparameter, wie Reichweite, Höchstgeschwindigkeit, Steigleistung, Flugdauer, Nutzlast etc. Unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg hielten sich Flugzeuge bereits mehrere Stunden lang in der Luft und konnten mehrere 100 Kilometer weit fliegen.

In den frühen Jahren der Aviatik herrschte noch die handwerkliche Erzeugung von Einzelstücken und kleinen Serien vor. Folglich erforderte der Einstieg in den Flugzeugbau noch keine großen Kapitalien, weswegen sich zahlreiche Unternehmen in diesem Markt versuchten, wenngleich, wie bereits erwähnt, die meisten wieder ausschieden. Im internationalen Vergleich entwickelte vor dem Ersten Weltkrieg Frankreich die leistungsfähigste Flugzeugindustrie, aber auch Österreich-Ungarn, Italien, die USA, das Deutsche Reich, England und Belgien nahmen am Innovationswettlauf erfolgreich teil. Dies spiegelte sich zum Beispiel in der Anzahl von Weltrekorden wider, die mit Flugzeugen aus diesen Ländern erzielt wurden.

Bibliografie 

Keimel, Reinhard: Luftfahrzeugbau in Österreich, Wien 2003

Niccoli, Riccardo: Luftfahrt. Menschen, Mythen und Maschinen. Die Geschichte des Fliegens, München 2013

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