Der Verlust der Südsteiermark

Ein Friedensdiktat ohne Volksentscheid

Mit der Proklamation von Deutschösterreich am 12. November 1918 wurde das ehemalige Herzogtum Steiermark zum umstrittenen Grenzland der jungen Republik.


 

Die Provisorische Nationalversammlung Deutschösterreichs beschloss am 22. November 1918, dass auch die Steiermark, ausgenommen die geschlossenen slowenischen Siedlungsgebiete, künftig zum neuen Staatsterritorium gehören sollte. Das gemischtsprachige Drautal mit Marburg/Maribor und Pettau/Ptuj sollte daher bei Deutschösterreich bleiben. Da die ehemalige Südsteiermark jedoch mehrheitlich von SlowenInnen besiedelt war (420.000 SlowenInnen und 76.000 Deutsche), beanspruchte auch der bereits am 29. Oktober 1918 in Zagreb/Agram gegründete Staat der Slowenen, Kroaten und Serben (SHS-Staat) das Gebiet südlich der Mur für sich.

Noch bevor die Grenzfrage auf diplomatischem Weg gelöst werden konnte, versuchten die Truppen unter Major Rudolf Majster mit der Besetzung der untersteirischen Gebiete im November 1918 vollendete Tatsachen zu schaffen. Aufgrund der katastrophalen Ernährungslage und fehlender militärischer Kräfte begnügte man sich seitens der Steiermark mit politischem Protest gegenüber dem SHS-Staat. Dies geschah auch im Sinne des Wiener Staatsrates unter Staatskanzler Karl Renner. Österreich war zur Versorgung der Bevölkerung auf die Lebensmittellieferungen des SHS-Staates angewiesen, weshalb man die guten Beziehungen nicht gefährden wollte. Dennoch kam es an mehreren Orten zu kleineren Kampfhandlungen, darunter die Eskalation am „Marburger Blutsonntag“ am 27. Jänner 1919 und der Aufstand in Radkersburg/Radgona am 4. Februar 1919.

Am 13. Februar 1919 vereinbarten die Landesregierungen in Graz und Ljubljana das Ende der bewaffneten Auseinandersetzungen und einigten sich über eine vorläufige Demarkationslinie, die bis zu dem endgültigen Entscheid durch die Pariser Friedenskonferenz Gültigkeit haben sollte. Mit dieser Übereinkunft ging das gesamte untersteirische Gebiet an den SHS-Staat.

Die Pariser Friedensverhandlungen sollten an dieser Situation nichts mehr ändern. Die österreichische Delegation votierte für den Verbleib der südsteirischen (jedoch mehrheitlich slowenischsprachigen) Gebiete bei Deutschösterreich und erhoffte sich einen Volksentscheid – beides erfüllte sich nicht. Im Vertrag von Saint-Germain wurde die Untersteiermark dem SHS-Staat zugesprochen, Radkersburg/Radgona wurde geteilt und die Umgebungsgemeinden links der Mur kamen zur Republik Österreich/Deutschösterreich. Die von den Österreichern favorisierte Volksabstimmung in den Bezirken Marburg/Maribor, Pettau/Ptuj und Luttenberg/Ljutomer kam nicht zustande.

Bibliografie 

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Karner, Stefan: Die Abtrennung der Untersteiermark von Österreich 1918/19. Ökonomische Aspekte und Relevanz für Kärnten und die Steiermark, in: Rumpler, Helmut (Hrsg.): Kärntens Volkabstimmung 1920. Wissenschaftliche Kontroversen und historisch-politische Diskussionen anlässlich des internationalen Symposions Klagenfurt 1980, Klagenfurt 1981, 254-296

Schaffer, Roland: Die Volkswehr in der Steiermark 1918-1920, Salzburg 2012

Scheuch, Manfred: Historischer Atlas Österreich, 2. Auflage, Wien 1994

Vocelka, Karl: Geschichte Österreichs. Kultur – Gesellschaft – Politik, 3. Auflage, Graz/Wien/Köln 2002

Inhalte mit Bezug zu diesem Kapitel

Aspekt

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    Nach dem Krieg

    Mit dem Ersten Weltkrieg ging das „lange 19. Jahrhundert“ zu Ende. An die Stelle der monarchischen Imperien traten neue politische Player. Die k. u. k. Monarchie zerfiel in einzelne Nationalstaaten. Im November 1918 wurde die Republik Deutschösterreich proklamiert, im Oktober 1920 Österreich als Bundesstaat errichtet. Die Jahre nach dem Krieg waren überaus bewegt: Sie changierten in einem Spannungsverhältnis von Aufbruch und Niederlage, zwischen politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Errungenschaften und Rückschlägen.

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