Mit dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie wurde auch für die deutschsprachige Bevölkerung Westungarns die Frage der künftigen Staatsangehörigkeit virulent.
Sowohl Deutschösterreich als auch Ungarn proklamierten in den Novembertagen des Jahres 1918 die Republik und beanspruchten Deutsch-Westungarn jeweils für sich. In der Staatserklärung vom 22. November 1918 verkündete die Provisorische Nationalversammlung Deutschösterreichs unter Berufung auf das 'Selbstbestimmungsrecht der Völker', dass die überwiegend von Deutschen besiedelten Komitate Pressburg/Pozsony vármegye, Wieselburg/Moson vármegye, Ödenburg/Sopron vármegye und Eisenburg/Vas vármegye der neu gegründeten Republik angehörten. Während weite Teile der deutschstämmigen Bevölkerung Westungarns mit dem Anschlussgedanken an Deutschösterreich spielten, setzten sich andere für die Selbstständigkeit des Gebiets innerhalb Ungarns ein.
Die zu den Friedensverhandlungen nach Paris entsandte österreichische Delegation mit Karl Renner an der Spitze sprach sich gegenüber den Alliierten für die Abhaltung einer Volksabstimmung in Deutsch-Westungarn aus. Mit dem Vertrag von Saint-Germain vom 10. September 1919 ging das Gebiet jedoch ohne Plebiszit an die Republik Österreich (der Name „Deutschösterreich“ durfte nicht länger geführt werden). Seitens der Alliierten gaben mehrere Motive den Ausschlag für diese Entscheidung: Zum einen berücksichtigte man die ethnischen Grenzlinien sowie die wirtschaftlichen Beziehungen Wiens zu dieser ländlichen Region. Zum anderen wollte man mit der Angliederung Deutsch-Westungarns an Österreich die ungarische Räterepublik schwächen.
Ungarn, das nach dem Sturz des Räteregimes im August 1919 unter der Führung des Konservativen Miklós Horthy stand, trat den im Vertrag von Saint-Germain für Österreich und im Vertrag von Trianon für Ungarn festgelegten Grenzbestimmungen mit anhaltendem diplomatischen und politischen Widerstand entgegen. Es bestand in den folgenden zwei Jahren vehement darauf, das Gebiet um Deutsch-Westungarn unter ungarischer Verwaltung zu halten. Als das österreichische Heer am 28. August 1921 die deutsch-westungarischen Territorien besetzen wollte, wurde es von ungarischen Freischärlern mit Waffengewalt daran gehindert. Ungarn wollte einer Übergabe des Burgenlandes an Österreich nur zustimmen, wenn dieses im Gegenzug auf Ödenburg/Sopron verzichtete. Der Konflikt wurde schließlich im Venediger Protokoll vom 13. Oktober 1921 beigelegt. Die ungarische Regierung verpflichtete sich darin zum Abzug der bewaffneten Truppen und zur Übergabe des Burgenlandes an Österreich. Dieses musste hingegen ein Plebiszit in Ödenburg/Sopron und acht Nachbargemeinden durchführen.
Deutsch-Westungarn, für das sich seit 1919 zusehends die Bezeichnung Burgenland durchsetzte, wurde am 5. Dezember 1921 offiziell in die Republik Österreich eingegliedert. Die Volksabstimmung in Ödenburg/Sopron erfolgte am 14. und 15. Dezember und endete mit dem Verbleib Ödenburgs/Soprons bei Ungarn. Auch wenn es bei der Abstimmung offenbar zu Unstimmigkeiten gekommen war – durch die Aufnahme von Ortsfremden, Militärs, Studierenden und sogar bereits verstorbenen BürgerInnen in die WählerInnenlisten – revidierten die Alliierten den Wahlausgang nicht mehr.
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Kapitel
- Der hohe Preis des Friedens
- Die Spaltung Tirols
- Der Gewinn des Burgenlandes
- Der Kärntner Abwehrkampf und die Volksabstimmung am 10. Oktober 1920
- Der Verlust der Südsteiermark
- Die Festsetzung der Nordgrenze
- Österreichisches Bundesland oder Schweizer Kanton?
- Anschlussbestrebungen in Österreich von der Republikgründung bis zu den Volksabstimmungen in Tirol und Salzburg 1921