Kaiser Karl weigerte sich abzudanken, da er überzeugt war, von der göttlichen Vorsehung mit dem Kaiseramt betreut worden zu sein, und nicht von einer Volksvertretung. Er startete einige Versuche, die verlorene Macht wiederzuerlangen und verließ sich dabei nicht nur auf die göttliche Fügung. Er setzte aktiv Schritte und scheute auch vor Waffengewalt nicht zurück.
Im Sommer 1920 startete Karl erste Vorbereitungen für eine Rückkehr nach Ungarn. Der Exkaiser war überzeugt von der Unterstützung westlicher Mächte (v.a. Frankreichs), die in seiner Rückkehr ein Zeichen der Stabilisierung der Region sehen würden.
Die Realität war jedoch anders: 1921 festigte sich das Bündnis von Nachfolgestaaten der Monarchie (Tschechoslowakei, Rumänien und Jugoslawien) unter der Bezeichnung „Kleine Entente“. Hauptpunkte des Bündnisses waren die Einhaltung der Bestimmungen der Pariser Vororteverträge und die strikte Ablehnung einer Wiederherstellung der habsburgischen Herrschaft, was notfalls auch mit Waffengewalt durchgesetzt werden würde. Entgegen vielfacher Warnungen unternahm Karl in Verkennung der Realität dennoch den Versuch der Wiedererlangung der Macht in Ungarn.
Der erste Putschversuch startete am 24. März 1921, als Karl unter größter Geheimhaltung nach Ungarn einreiste. In dieses Vorhaben war selbst seine nächste Umgebung nicht eingeweiht. Es war dies eine abenteuerliche Reise: Zunächst ging Karl zu Fuß von seinem Westschweizer Wohnort Prangins über die Grenze nach Frankreich, von wo er per Zug über Strassburg nach Wien fuhr. Da Karl keinen Reisepass besaß, erfolgte die Einreise illegal unter falschem Namen.
Am 25. März traf Karl in Wien bei Graf Erdödy ein, einem Jugendfreund, der, über die wahren Verhältnisse in Ungarn gut informiert, Karl dringend von seinem Vorhaben abriet. Dennoch machte sich der Habsburger am nächsten Tag mit dem Auto nach Ungarn auf, begleitet von Erdödy und wiederum mit einem gefälschten britischen Pass. Man nahm Quartier im bischöflichen Palais im westungarischen Szombathely. Dort gab sich der exilierte König einer Gruppe von Monarchisten um Anton Baron Lehár (Bruder des Komponisten) zu erkennen.
Karl setzte bei dieser Aktion auf das Überraschungsmoment. Am 27. März fuhr Karl allein nach Budapest zu Horthy, der sich jedoch weigerte, zu Gunsten Karls zurückzutreten. Als Grund für seine Ablehnung nannte Horthy die Kriegsgefahr, denn die Staaten der Kleinen Entente würden die Rückkehr des Habsburgers auf den ungarischen Thron als Kriegsgrund ansehen.
Karl kehrte somit unverrichteter Dinge nach Szombathely zurück, wo er mit einer kleinen Gruppe von Sympathisanten ausharrte. Nach Protesten vonseiten der Staaten der Kleinen Entente bestritt Frankreich offiziell eine Unterstützung Karls, der zunächst isoliert und schwer erkrankt in Westungarn verblieb. Am 5. April 1921 wurde der Exmonarch schließlich des Landes verwiesen und kehrte in die Schweiz zurück.
Der Exkaiser sah sich jedoch weiterhin als rechtmäßiger Monarch, worin er nicht zuletzt vom Vatikan unterstützt wurde. Übereilt startete Karl einen weiteren Versuch, an die Macht zurückzukehren, da Horthy Karls Parteigänger in Ungarn sukzessive ausschalten ließ. Der zweite Putschversuch war deutlich besser organisiert: Mit einem Flugzeug sollte Karl – diesmal begleitet von seiner Gattin Zita – nach Ungarn gebracht werden, wo er sich in Sopron mit königstreuen Einheiten vereinigen und mit deren Unterstützung per Zug nach Budapest gelangen würde.
Am 20. Oktober 1921 wagten Karl und Zita den Flug von Zürich nach Ungarn. Dort angekommen war jedoch keine Spur von königstreuen Truppen, denn das chiffrierte Telegramm mit dem Befehl der Mobilisierung war angeblich nie eingetroffen …
Die Fahrt nach Budapest verzögerte sich daher um 24 Stunden. Dadurch war das Überraschungsmoment dahin, auch konnte die Aktion nicht mehr geheim gehalten werden. In Sopron kam es zu Loyalitätskundgebungen gegenüber Karl. Am Abend des 21. Oktober begann die Fahrt nach Budapest: Das Königspaar wurde dabei von einer von Karl eilig eingeschworenen Gegenregierung und 2.000 Soldaten begleitet.
Die Fahrt entwickelte sich zunächst zu einer Art Triumphzug: Ganze Armeeeinheiten leisteten den Treueeid auf Karl. Horthy begann alarmiert von den Nachrichten mit Gegenmaßnahmen.
Am 23. Oktober hielt der Zug vor Budapest. Im Vorort Kelenföld hatten sich Armeeeinheiten formiert. Was dann passierte, ist bis heute nicht eindeutig geklärt, da die Schilderungen von Zeugen sehr widersprüchlich sind. Horthy ließ, da er sich der Loyalität regulärer Truppen nicht sicher war, eine paramilitärische Einheit von 300 Studenten aufstellen, denen mitgeteilt wurde, dass tschechoslowakische Truppen im Anmarsch auf Budapest seien. Es kam zu einem kurzen Gefecht, bei dem 19 Menschen starben. Sich widersprechende Befehle führten zum Chaos. Karl kapitulierte schließlich, da er weiteres Blutvergießen verhindern wollte.
Karl und Zita wurden daraufhin zunächst in der Benediktinerabtei von Tihány am Plattensee interniert. Nachdem sich Karl neuerlich weigerte abzudanken, wurden das Monarchenpaar und seine Gefolgsleute, von der britischen Armee eskortiert, außer Landes gebracht.
Brook-Shepherd, Gordon: Um Krone und Reich. Die Tragödie des letzten Habsburgerkaisers, Wien 1968
Broucek, Peter (Hrsg.): Anton Lehár. Erinnerungen. Gegenrevolution und Restaurationsversuche in Ungarn 1918–1921, Wien 1973
Broucek, Peter: Karl I. (IV.). Der politische Weg des letzten Herrschers der Donaumonarchie, Wien 1997
Demmerle, Eva: Kaiser Karl I. „Selig, die Frieden stiften ...“. Die Biographie, Wien 2004
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Kapitel
- Habsburg im Exil I: Von der Schweiz nach Madeira
- Versuche zur Wiedererlangung der Macht
- Putschversuche in Ungarn
- Habsburg im Exil II: 1922 bis 1945
- Zita: Bis zuletzt für „Gott, Kaiser und Vaterland“
- Otto, der „letzte Kronprinz“
- Otto und der Austrofaschismus
- Die „Habsburg-Krise“
- Die Seligsprechung Kaiser Karls I.