Die Beschaffungsoffensive 1915/16 und das „Knoller-Programm“
Angesichts der prekären Ausstattung mit Flugmaterial entschlossen sich die Luftfahrtruppen ab 1915 zu umfassenden Beschaffungsmaßnahmen. Insbesondere setzte man auf das „Knoller-Programm“.
Angesichts des dringenden Bedarfs an modernem Fluggerät folgten ab 1915 mehrere Beschaffungsmaßnahmen der Luftfahrtruppen. Als Sofortmaßnahme bestellte man 86 Maschinen vom Typ Hansa-Brandenburg B I und nahm die Eigenerzeugung dieses Modells im Fliegerarsenal Fischamend auf, wo 355 Stück produziert wurden. Diese Maschinen waren jedoch im Grunde schon veraltet und wurden bald nur noch als Schulflugzeuge verwendet. Des Weiteren drängten die österreichisch-ungarischen Flugzeugwerke ihrerseits mit zahlreichen Flugzeugmodellen ins Geschäft. Insgesamt wurden während des Ersten Weltkriegs zirka 125 Prototypen entwickelt. Von diesen schafften es nur wenige zur Serienfertigung, trotzdem kam es zu einer unwirtschaftlichen Typenvielfalt. Als zentrale Beschaffungsmaßnahme, mit der zugleich rasch moderne Maschinen bereitgestellt und industriepolitische Ziele gegen die Castiglioni-Gruppe verfolgt werden sollten, begann man zum Jahresbeginn 1915 mit dem sogenannten „Knoller-Programm“, welches die Entwicklung und Massenfertigung von leistungsfähigen zweisitzigen Kampfflugzeugen vorsah.
Richard Knoller, Professor an der Technischen Hochschule Wien, galt als kompetenter Luftfahrtexperte, mit dem das Fliegerarsenal bereits kooperiert hatte. Das Projekt erfreute sich dank seiner exzellenten Reputation und der entschiedenen Befürwortung vonseiten der militärischen Stellen von Beginn an eines großen Vertrauensvorschusses. Das Programm stand unter großem Zeitdruck und wurde zu einer Prestigefrage für Knoller und die Entscheidungsträger, die sich für ihn exponierten. Es lief in drei Phasen ab, in denen die drei Flugzeuge Knoller B I, C I und C II entwickelt wurden. Mit dem Doppeldecker Knoller B I wurde im Januar 1915 das kleine Flugzeugwerk Thöne & Fiala betraut. Schon in der Planungsphase kam es zu Verzögerungen und als der Jungfernflug des ersten Exemplars am 13. November 1915 erfolgte, zeigten sich schwere strukturelle und aerodynamische Defizite. Es folgten monatelange Nachbesserungen, doch neue Tests von Januar bis April 1916 erwiesen weiterhin strukturelle Mängel und Probleme im Hinblick auf die Beherrschbarkeit. Trotzdem wurden noch 43 weitere Flugzeuge bestellt, ehe das Modell Ende Juli 1916 als unbrauchbar für den Fronteinsatz eingestuft wurde.
Parallel dazu hatten in den Phönix Werken im Einvernehmen mit dem Fliegerarsenal ab Spätherbst 1915 Vorarbeiten für ein leistungsfähigeres Modell, Knoller C I, begonnen. Nach technischen Schwierigkeiten wurden die ersten Exemplare erst im April 1916 fertig, woraufhin sich die Geschichte des Modells B I wiederholte. Auch diese Flugzeuge erwiesen sich als Fehlinvestition. Der Ruf von Knoller und die Entscheidungen der Militärs waren aber dermaßen erhaben gegenüber jeglicher Kritik, dass sogar noch ein dritter Anlauf unternommen wurde, die Entwicklung des Doppeldeckers Knoller C II, die wiederum zum Fehlschlag wurde. Erst als im Frühjahr 1917 das Parlament, das seit 1914 nicht mehr getagt hatte, wieder einberufen wurde, deckte dort der Abgeordnete Graf Adalbert Sternberg die starrsinnig verfolgte Fehlentwicklung auf, was zur Einstellung des Knoller-Programms führte. Insgesamt übernahmen die Luftfahrtruppen von 1915 bis 1918 etwa 185 Knoller Flugzeuge. Dadurch erwarb das Militär nicht nur in großem Stil unbrauchbares Material, sondern Lieferungen von schon zur Verfügung stehenden effektiveren Flugzeugen wurden erheblich verzögert und während des Krieges immer knapper werdende Ressourcen vergeudet.
Desoye, Reinhard: Die k. u. k. Luftfahrtruppe. Die Entstehung, der Aufbau und die Organisation der österreichisch-ungarischen Heeresluftwaffe 1912–1918, 2 Bände, Wien 1999
Grosz, Peter M./Haddow, George/Schiemer, Peter: Austro-Hungarian Army Aircraft of World War One, Boulder 2002
Pelz, Martin: Die Geschichte des Flugzeugbaus in Österreich von den Anfängen bis zur Gegenwart, Diplomarbeit an der WU Wien 2001
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Kapitel
- Motorisierte Luftfahrt als junge Technologie
- Die Erfindung des Luftkrieges und der Hype um die „Flieger-Asse“ als motivierende Kriegspropaganda
- Die Entstehung der k. u. k. Luftfahrtruppen
- Der Beginn des Flugzeugbaus in Österreich
- Die Lage der k. u. k. Luftfahrtruppen in den Jahren 1914/15
- Die Beschaffungsoffensive 1915/16 und das „Knoller-Programm“
- Die wichtigsten Flugzeugtypen der k. u. k. Luftfahrtruppen von 1916–1918 und ihr Einsatz