Ursachen der Versorgungskrise
Während des Krieges kam es für die Zivilbevölkerung zu einer Verschlechterung der gesamten Lebensbedingungen. Besonders verheerend wirkte sich aber die Nahrungsmittel- und Konsumgüterknappheit aus, die zu einer dramatischen Notlage führte.
Am Vorabend des Ersten Weltkrieges war die Donaumonarchie im Bereich der Lebensmittelversorgung weitgehend autark. Die Mehrheit der Bevölkerung war in der Land- und Forstwirtschaft tätig und konnte den Bedarf an tierischen Produkten, Getreide, Obst und Gemüse großteils decken. In Ungarn, wo 67 Prozent der arbeitenden Bevölkerung als agrarische Selbstversorger tätig war, gelang es, den Getreideverbrauch zur Gänze durch Eigenproduktion sicherzustellen und darüber hinaus die Nachfrage in Cisleithanien zu bedienen. Indes war die österreichische Reichshälfte auf fast allen Sektoren der landwirtschaftlichen Produktion von Importen aus Ungarn abhängig und eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung war ohne die „Korn- und Fleischkammer“ der Monarchie undenkbar. Diese für Friedenszeiten gute Ausgangslage änderte sich mit Kriegsbeginn schlagartig und die materielle Lage der Habsburgermonarchie begann sich dramatisch zu verschlechtern
Entscheidend war, dass man aus wirtschaftlicher Sicht nicht auf einen langen Krieg eingestellt war. Die verantwortlichen Stellen gingen von einer kurzen und siegreichen Auseinandersetzung aus und trafen kaum Vorsorgemaßnahmen. Nachdem aufgrund klimatischer Verhältnisse die Ernteerträge 1914 hinter den Erwartungen zurückgeblieben waren, reagierte Ungarn mit Exportrestriktionen für Agrarprodukte. Bis 1917 sanken die Einfuhren aus Transleithanien bei Schlachtvieh auf 20 Prozent, bei Mehl auf drei Prozent und bei Getreide auf zwei Prozent des Friedensniveaus.
Die Landwirtschaft der österreichischen Reichshälfte vermochte diese Ausfälle nicht auszugleichen, zumal es aufgrund der totalen Mobilisierung an Arbeitskräften, Zugtieren, Saatgut, Futter- und Düngemitteln mangelte. Verschärft wurde die Krise durch die Besetzung Galiziens, einem bislang wichtiger Lieferant agrarischer Erzeugnisse, durch russische Truppen. Die Kampfhandlungen machten die Äcker unfruchtbar und Flucht sowie Vertreibung ließen die landwirtschaftliche Produktion einbrechen. Erschwerend hinzu kamen anhaltende Verteilungsstreitigkeiten zwischen den beiden Reichshälften und die Schwerpunktsetzung auf kriegswichtige Industriezweige. Darunter litt die landwirtschaftliche Produktion, die im Jahr 1917 nur noch die Hälfte des Vorkriegsvolumens erwirtschaftete.
Durch die Seeblockade der Entente und die allmählich in Kraft tretenden Aus-, Ein- und Durchfuhrverbote konnten die Produktionsausfälle nicht durch Importgüter kompensiert werden. Der Austausch von Waren war auf den Binnenhandel und die neutralen Länder reduziert. Allerdings verkehrten aufgrund der totalen Mobilisierung und der Transporte an die Fronten im Hinterland immer weniger Züge. Der Güterverkehr kam ins Stocken, der Warentransport konnte nicht länger sichergestellt werden und Rohstoffe sowie Waren verschwanden nach und nach vom Markt.
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