Im Reich der Habsburger waren alle großen monotheistischen Religionen vertreten. Trotz einer deutlichen Dominanz der katholischen Kirche herrschte in der Habsburgermonarchie Multikonfessionalität.

Die römisch-katholische Kirche war mit Abstand die bedeutendste Religionsgemeinschaft in der Habsburgermonarchie. 1910 zählte man in Cisleithanien 22,5 Millionen Katholiken (= 79 % der Bevölkerung). Auch in Ungarn bildeten die Katholiken mit 10,5 Millionen (= 49 %) die stärkste Gruppe.

Eine besondere Rolle spielten in der Habsburgermonarchie die mit Rom unierten griechisch-katholischen Kirchen. Diese bildeten eine Art Übergang zu den orthodoxen Kirchen des Ostens. Die Entstehung dieser Sonderformen geht auf das Bemühen katholisch dominierter Staaten wie Polen (Union von Brest 1596) und der Habsburgermonarchie (Union von Užhorod 1646) zurück, die über große Gruppen orthodoxer Untertanen verfügten und diese auch in konfessionellen Belangen stärker unter ihren Einfluss bekommen wollten. Die griechisch-katholische Kirche zeichnet die Beibehaltung des byzantinischen Ritus und der traditionellen Kirchenstruktur aus, während gleichzeitig die Autorität des Papstes anerkannt wird. Vor allem bei den Ruthenen und zum Teil auch bei den Rumänen innerhalb der Habsburgermonarchie wurde der griechisch-katholische Klerus zum Träger der Nationswerdung und die kirchliche Zugehörigkeit zu einem bestimmenden Faktor des Nationalbewusstseins.

In der österreichischen Reichshälfte gehörten 3,5 Millionen (= 12 % der Bevölkerung), in der ungarischen Reichshälfte weitere 1,9 Millionen (= 9 %) der griechisch-katholischen Kirche an. Insgesamt sahen somit 91 % der Bevölkerung der österreichischen und ca. 60 % der Bevölkerung der ungarischen Reichshälfte im Papst ihr religiöses Oberhaupt.

Trotz der Dominanz der katholischen Kirche dürfen jedoch nicht die starken regionalen Unterschiede übersehen werden. Während in den westlichen Kronländern weit über 90 % der Bevölkerung Katholiken waren, nahmen die Zahlen gegen Südosten stark ab, wo die christlich-orthodoxen Kirchen eine dominierende Stellung hatten. In der österreichischen Reichshälfte zählten die orthodoxen Kirchen 770.000 Gläubige (= 2,3 %, konzentriert auf Dalmatien und Bukowina), in Bosnien-Herzegowina über 800.000 Gläubige. Am stärksten war die Orthodoxie in Ungarn mit 2,9 Millionen Anhängern (= 14,3 % der Gesamtbevölkerung) vertreten. Vor allem unter Rumänen und Serben spielte das Bekenntnis zur Orthodoxie als Abgrenzungsmerkmal eine bedeutende Rolle im Prozess der Nationswerdung.

Auch die verschiedenen evangelischen Kirchen bildeten in manchen Reichsteilen eine regional bedeutende Kraft. In der österreichischen Reichshälfte überlebte der Protestantismus die Zeit der aggressiven katholischen Gegenreformation nur in Nischen bzw. im Untergrund. Erst mit der josephinischen Religionspolitik (Toleranzedikt 1781) konnten sich offizielle Kirchenstrukturen bilden, die ihren Schwerpunkt in einigen alpinen Regionen sowie in den böhmischen Ländern (hier v. a. in Schlesien) hatten.

Während die evangelischen Kirchen in Cisleithanien – hier in erster Linie die Anhänger des Augsburger Bekenntnisses – auf nur auf knapp 600.000 Gläubige (= 2 % der Bevölkerung) kamen, war deren Anteil in Ungarn deutlich größer. Die Lehren Luthers fanden hier vor allem unter den Deutschen und Slowaken Verbreitung und wurden ein wichtiger Bestandteil von deren kultureller Identität. Insgesamt zählte die evangelische Kirche A. B. in Ungarn 1,3 Millionen (= 6 % der Bevölkerung). Ein Spezifikum der konfessionellen Situation in Ungarn war die große Bedeutung des Kalvinismus unter den Magyaren mit 2,6 Millionen Anhängern (= 13 % der Gesamtbevölkerung). Das Zentrum der evangelischen Christen Helvetischen Bekenntnisses lag in der ungarischen Tiefebene um Debrecen.

Die Juden bildeten innerhalb der Habsburgermonarchie eine bedeutende Gruppe, die trotz ihres relativ geringen Anteils von 4,4 % der Gesamtbevölkerung einen außerordentlich wichtigen Faktor für die kulturelle und ökonomische Entwicklung darstellte. Bezüglich ihrer Verbreitung herrschte ein starkes West-Ost-Gefälle. Kaum statistisch relevant waren die Juden in den Alpen- und Donauländern und im Adriaraum – hier existierten bedeutende Gemeinden nur in den Großstädten Wien und Triest. Etwas stärker war der jüdische Anteil an der Bevölkerung in den böhmischen Ländern, wo es ein dichtes Netz von Kultusgemeinden gab: Neben der historisch bedeutenden Prager jüdischen Gemeinde war das Judentum auch im kleinstädtisch-ländlichen Bereich verankert. In Ungarn herrschte eine ähnliche Streuung, nur waren die Juden dort zahlenmäßig stärker. Das Zentrum des ungarischen Judentums war Budapest. Der Schwerpunkt jüdischer Bevölkerung im Reich der Habsburger lag jedoch eindeutig in Galizien und in der Bukowina. Hier stellten die Juden ein außerordentlich starkes Bevölkerungssegment dar, das regional bis zu 40 % erreichen konnte.  

Die Juden der Habsburgermonarchie bildeten jedoch eine äußerst inhomogene Gruppe. Das etablierte jüdische Bürgertum in den urbanen Ballungsräumen hatte sich an die jeweilige Mehrheitsbevölkerung assimiliert und kulturell wie ökonomisch integriert. Dagegen blieb in den östlichen Reichsteilen die religiöse Zugehörigkeit für das Alltagsleben und vor allem die Identität der Masse der jüdischen Bevölkerung weiterhin stark prägend. Die traditionell-archaische Lebenswelt des Shtetls und die jiddische Sprache galten als Symbole des Ostjudentums. Einen Sonderfall bildeten die sephardischen Gemeinden (v. a. in Bosnien-Herzegowina) im ansonsten überwiegend aschkenasisch geprägten Judentum der Habsburgermonarchie.

Ein regionales Phänomen stellten die Muslime dar, die durch die Okkupation (1878) und später Annexion (1908) von Bosnien-Herzegowina BürgerInnen der Habsburgermonarchie geworden waren. Die über 600.000 Muslime gehörten der sunnitischen Richtung an und bildeten in dieser Provinz ca. ein Drittel der Bevölkerung. Im Rahmen der Gesamtmonarchie betrug der Anteil der Mohammedaner, wie die Anhänger des Islam in der zeitgenössischen Sprache bezeichnet wurden, nur 1,2 % der Bevölkerung. Der Versuch der Einbeziehung islamischer Strukturen in das Verwaltungs- und Rechtssystem der Donaumonarchie bietet einen interessanten Blick auf das Integrationspotenzial des Vielvölkerstaates. 

Bibliografie 

Rumpler, Helmut: Eine Chance für Mitteleuropa. Bürgerliche Emanzipation und Staatsverfall in der Habsburgermonarchie [Österreichische Geschichte 1804–1914, hrsg. von Herwig Wolfram], Wien 2005

Rumpler, Helmut/Seger, Martin (Hrsg): Die Habsburgermonarchie 1848–1918, Band IX/2: Soziale Strukturen, Wien 2010

Wandruszka, Adam (Hrsg.): Die Habsburgermonarchie 1848–1918, Band IV: Die Konfessionen, Wien 1985

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    Das Reich der Habsburger

    Österreich-Ungarn war ein äußerst vielfältiges Staatsgebilde. Eine ‚Bestandsaufnahme’ der Habsburgermonarchie am Vorabend des Ersten Weltkriegs zeigt eine Großmacht im Niedergang. Soziale und politische Probleme sowie die alles überschattenden Nationalitätenstreitigkeiten rüttelten an den Fundamenten des Reiches. Jedoch stellte die Monarchie auch einen enorm lebendigen Kulturraum dar, dessen Vielfalt sich als befruchtend auf kulturellem Gebiet erwies, wo das Reich der Habsburger trotz der politischen Stagnation eine Blütezeit durchlebte.