Einsatz an der Westfront im Herbst 1918, Auszug aus Kriegserinnerungen von Johann Obermüllner, Seite 132f
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Gegen Ende des Monats entspann sich ein solcher Kampf an der Front, daß die Geschütze überhaupt nicht mehr zum Schweigen kamen. Verwunderte brachte man zurück, die meisten Gas vergiftet oder von Blausäure verbrannt, ein Anblick, das Gott erbarm – – die Sinne zu schwinden brachte, die Verluste waren groß, die Reserven wurden herangezogen u auch unsere Truppenabteilungen hier im Dorfe erhielten Marschbefehl. Es waren meist Tschechen u Ungarn nur unsere Kompag. bestand aus Deutschen; auch in den umliegenden Ortschaften zählten die österr. Deutschen zu den Wenigsten. Der gräuelhafte Anblick der Verwundeten – das bestialische Menschenvertilgen u vielleicht auch schon die Zeitungen brachten Verwirrung u die Tschechen waren die ersten die sich weigerten vorzurücken, verboten aber zugleich auch uns Jägern, den Befehl Folge zu leisten. In später Nachtstunde wurde eine Versammlung abgehalten auf dem Dachboden u einige Unteroffiziere eiferten uns an, alle mitzustimmen mit den Tschechen u nicht hier in den Kampf zu gehen, sondern an österr. Front in Italien, denn da an der Westfront ist’s kein Krieg mehr, sondern ein Menschen-
massen vertilgen für welches man keine Worte mehr findet. 3/4 von der Mannschaft stimmten ein u so wurde unser Entschluß noch spät abends dem Oberst-Leutnant gemeldet. Die Nacht brachte neue Unruhen in die Truppen, es wurde öffentlich gemeutert, auf den Straßen marschierten Patroillen u gegen Frühe sperrte schon reichsdeutsches Militär unsere Verbindungsstraßen. Der Oberst-Leutnant erschien u ließ die Jäger vergattern. Als Alle am Platze waren rief er: „Wer von Euch ist verheiratet? – Hand hoch!” – – – Viele Hände wurden sichtbar. – – – Ihr seid Männer, ihr müßt es am ersten wissen, was es heißt im Kriege zu meutern u noch dazu hier an der deutschen Front wo wir doch gänzlich machtlos sind. – – – Er blätterte im Kriegsreglement u las dan diese Artikel vor, die auf dieses Beschulden hinlauteten u jeden 10. Mann zum Tode forderten. – – Der Fall, sagte er weiter, ist angezeigt am deutschen Oberkommando, wir müssen abwarten was folgen wird. – – Abtreten!“ – – Jetzt aufeinmal wurden andere Stimmen wach unter den Jägern, jeder stellte sich schuldlos, sogar unsere Führer waren sprachlos u beschuldeten nur die Tschechen. Ängstlich erwarteten wir weitere Befehle. Ich aber nahm mir ernstlich vor in der Nacht zu flüchten u mich beim ersten deutschen Offizier zu stellen, denn obgleich mir genau so graute vor dieser Front wie meinen Kameraden, so war ich doch für keine Weigerung, schon gar nicht aber für ein deutsches Kriegsgericht. – – – Gegen Abend wurde unser Dorf überfüllt von deutschen Kriegern, die Artillerie kam angefahren u verschanzte sich hinterm Dorfe, Autokolonen rasselten ununterbrochen auf der Straße, Flug-