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Lebensbedingungen in Wien bei Kriegsende, Auszug aus Kriegserinnerungen von Anton Hanausek, Seite 102f

Transkript 

[…]
Hamstern:
Gross war die Freude als ich wieder zu Hause eintraf. Erstens brachte ich gute Nachricht von Mina, na und deren Packet war ja auch nicht gerade ohne, obwohl wir mit dessen Inhalt sparsam umgehen mussten. Da ich Urlaub hatte, beschloss ich zu tun was jetzt der allgemeine Trend war, zwecks Aufbesserung unserer Verpflegung hamstern zu gehen. Noch von Siebenbürgen her besass ich etwa 1 Dutzend Spulen grünen Zwirn und eine gute Handvoll Bohnenkaffee. Mit diesen „Schätzen“ und etwas Geld, fuhr ich in die Tullner Gegend, wo ich sehr bald erkennen musste, wie schwer es in solchen Zeiten als Unbekannter etwas aufzutreiben. Es ist ja klar, die Bauern erlebten tagein, tagaus, eine förmliche Invasion von Hamsterern.

Rauchwaren und Lebensmittel sind in Hungerzeiten Edelvaluta. Nebst Geld brachten die Hamsterer Gold, Schmuck, Uhren, neue Leib- und Bettwäsche, Schuhe, Kleider und vieles anderes. Was sollte nun ich Armitschkerl mit meinen par Spulen Zwirn und einer Handvoll Bohnenkaffee als Fremdling in dieser abgegrasten Gegend. Jene Hamsterer die schon ihre ständigen Bauern hatten und prima Tauschartikel brachten aber obendrein jeden verlangten Preis berappten, hatten natürlich Erfolg. Aber ich, vollkommen fremd, mit dem bischen Tauschware. Man sah es mir schon von weitem an dass ich ein armer Schlucker war, denn so wie sie mich nur erblickten, riefen sie mir zu: „Mir ham nix“.
Im Volke gibt es eben zwei Gruppen. Ein grosse Gruppe die die Ehre und Aufgabe hat das Vaterland mit Einsatz von Gesundheit und Leben zu verteidigen, während die andere Gruppe mehr oder minder dunkle Geschäfte machen, und am Kriege fett verdienen kann.
Also wanderte ich stundenlang von Bauernhof zu Bauernhof, ohne geringstem Erfolg. Meingott wie grob und hartherzig waren die Menschen geworden. In den Kirchen aber liegen diese Menschen auf den Knien und beten: „Gib uns unser tägliches Brot, und vergib uns unsere Schuld“.