Kriegserinnerungen aus der Hinterlassenschaft von Johann Obermüllner

Auszug aus den Erinnerungen von Johann Obermüllner an seinen Einsatz an der Westfront im Herbst 1918, verfasst im Jahre 1934

Montag, den 9. Sept. waren die Vorbereitungen in der Kaserne beendet u um 5 Uhr abends ging ich mit der 43. Marschkomp. – 102 Mann von hier ab. Diesmal gings ohne Musik u Gesang durch die Straßen, das endlose Menschenmorden zerstörte jede Begeisterung. Um 6 Uhr rollten unsere Wagen ab, nicht aber wie’s erstemal nach Osten, sondern in entgegengesetzter Richtung – nach Westen. In Linz hatten wir 2 Tage Aufenthalt, dann ging es weiter den 12. über Wels, Passau nach Pittlingen wo wir auswaggoniert wurden. Zum erstenmal gab es deutsche Menag’ die schon anders schmeckte als in Österreich, hernach diente ein frisches Bad u neue Wäsche. Um 8 Uhr abends setzten wir die Fahrt fort über Regensburg wo wieder menagiert wurde, dann folgte Nürnberg, Stein bei Nürnberg, Gralsheim, Karlsruhe. Den 15. über Busendorf, Diedenhofen. Weitere Fahrt den 16. über Audun – le – Roman, französ. Boden.
Hier hatten wir lange Aufenthalt, den die feindlichen Flieger sperrten unsere Bahn. Auf unserm Transportzug standen 2 Maschienengewehre auf Plattform, in Feuerstellung die hier schon ziemlich zu tun hatten. Die ganze Nacht mußten wir hier verbringen, die Wagen waren abgeschlossen, der Bahnhof finster. Nur die Reflektore arbeiteten fieberhaft, den fortwährend kreisten die grauen Vögel. Gegen Mitternacht entflammte eine Schießerei, Maschienengewehre u Abwehrgeschütze wetteiferten miteinander, es hatte den Anschein als ob die Franzosen schon stürmen wollten. In den oberen Regionen aber surrten gewaltige Motore, die immer näher eindrangen u hiemit unsere

Nerven ein wenig kitzelten. „Bei Leibe hol sie der Teufel“ – die Franzmänner! – meinte ein alter Haudegen‚ – die wollen uns schon kaput machen bevor wir sie noch zu Gesichte bekommen. – Gleich darauf zitterte u bebte der Boden, ein Feuerschein blitzte durch alle Rissen des Wagens, 7 schwere Bomben explodierten wovon eine unser Geleise – gerade am Ausgang des Bahnhofes – zerfetzte. Zum Glück traf keine den Bahnhof selber, denn da wäre dann der Spaß bitterer Ernst geworden. Gegen Frühe erschienen sie nocheinmal, doch konnten sie sich nicht mehr lange behaupten vor dem Abwehrfeuer u mußten bald wieder Reiß – aus – nehmen. Unser Geleise war bald wieder fahrbar u so dampften wir wieder weiter, fortwährend aber von Fliegergeschwadern verfolgt. Sogar auf freier Strecke mußten wir anhalten u uns in Gräben sichern, die Aasgeier glaubten durchhaus uns zerfleischen zu können bevor noch unsere Waffen sie erreichen konnten. Nach längerer Fahrt verließen wir wieder Frankreich u hielten in Athus – Belgien. Später erreichten wir Arlon, wo wir auswaggoniert wurden u nach einem zweistündigen Marsche wurden wir einquartiert im Dorfe Schantemelle. 17. Sep. Den 21. Sep. übersiedelten wir nach Vanse in ein leeres Haus das uns zugewiesen wurde u wo dann die Kriegsübungen für den modernen Krieg – besonders der Westfront – begonnen wurden.
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