Tagebuch aus der Hinterlassenschaft von Bernhardine Alma

Auszug aus den Tagebucheinträgen von Bernhardine Alma zur euphorischen Stimmung bei Kriegsbeginn, verfasst im Sommer 1914 in Wien

Bei uns wurden die Freiwilligen, die noch Knaben oder schon Männer sind, natürlich abgewiesen. In Serbien mußten sie dazu. In Serbien muß es schrecklich sein! – Ach, und der Gedanke! – Während ich hier so sitze und schreibe, kämpfen sie da unten an der Grenze – kämpfen und sterben – oder werden verletzt. Wenn ich nur etwas für sie tun könnte! Pflegerin läßt mich Papa wieder einmal nicht werden. – –

Freitag, abends. 31. Juli 1914.
Es ist wie ein süßer Trost – wie etwas Aufrichtendes, ein Erhebendes, daß ein Gott ist, ein Gott, der die Geschicke der Völker lenkt und die Einzelnen. Und vertrauend sehe ich zu Ihm empor und wie Er es schickt, ist es gut; muß es gut sein, sonst wäre es ja anders. Heute Nachmittag habe ich die später folgenden Kriegsfragen herein geschrieben – denn ich habe genug vom Krieg und ganz genug! – Mag sein, daß der Krieg eine politische Notwendigkeit war, daß es nötig war, daß wieder mal das menschlich leidenschaftliche über die Kultur triumfiere, zeigend, daß die Menschen doch Menschen geblieben sind. Aber ich finde einen Krieg schrecklich und schrecklich, daß da so viele sterben müssen – so viele unglücklich werden! – Und doch mag es ein herrliches Gefühl sein, fürs Vaterland zu kämpfen – aber schrecklich für die, die nicht mit können. Wie viele Frauen, Mütter, Bräute, Schwestern jetzt wohl in Österreich weinen! – – Ich möchte so, so, so gerne mit – als Pflegerin; so gerne! – Wieder einmal lassen mich die Eltern nicht. Das ist so schrecklich. – Der Onkel Bruno ist einberufen. – Der Kaiser ist in Wien. Wir haben Siege davon getragen. Ich möchte so gerne wissen, was mit Rußland sein wird! Ich habe so genug von [unleserlich] Krieg. – In der Kolonitzschule sind Soldaten einlogiert. Der Krieg liegt auf mir, mit einer Schwere, einem Druck – von dem ich mich nicht befreien kann. Draußen klingt Pferdegetrappel – Kriegspferde.

Immer wieder der Krieg! – Ich wollte, er wäre aus oder hätte nie angefangen. – Wenn da die Zahl der Verwundeten steht, wie viel Ängsten und Schmerzen liegen in diesen Zahlen, die keine Namen nennen. Bisher sind unsere Verluste unbedeutend. Aber noch so wenig ist schon zu viel. – Schließlich tun mir die einzelnen Serben auch sehr, sehr leid. – Mama hat uns niedliche, kleine Heilige Antonius gekauft. Gestern war der Onkel Rudolf mit Frau und [unleserlich] da. – Heute vor 8 Tagen wußten wir noch nicht, daß es zu einem Krieg komnt. Gott muß ja wissen, wozu es gut ist – und die Zeit wird es lehren! – Hoffentlich stehen morgen angenehme Nachrichten in der Zeitung! –

Schön fängt der 1. August an! abends. Samstag.
Der Krieg mit Deutschland und Rußland, der den so genannten Weltbrand bedeuten würde, steht zu erwarten. – Er könnte noch im letzten Augenblick vermieden werden – er könnte – wird es so sein? – Richte es nach Deinem Entschluß, oh mein Gott, in Deiner Hand liegt das Schicksal der Millionen, die in den Kampf ziehen und derer, die zurück bleiben! – In Paris wurde der berühmte Arbeiterführer Jaurais erschossen, in Rußland drohen Aufstände – Japan u. Schweden sind gegen Rußland. So viele Soldaten u. Offiziere gehen und alle in den Krieg! Wenn Reservisten vorbeifahren oder – gehen winken wir hinunter, sie winken herauf, tun Hochrufe – singen auch, ziehen recht froh und frisch in den Krieg – kmpfeslustig, siegesfroh. Als wir vom Einkaufen kamen, winkten wir auch einem Eisenbahnzug, unter Hochrufen /Winken‚ Musik, [unleserlich] u. Pferderln[?] fuhren sie vorbei. – Das war nachher so schrecklich ergreifend. – Es liegt eine ganz seltsame Stimmung über Wien – so wie sonst nie. Die Donau fließt vorbei und weiß mehr als wir, und dabei gar nichts. – Ich wollte, unsre Armee käme schon zurück – das wäre viel, viel netter. – Wie hübsch spricht doch der Mase Piccolomini über den Frieden. In Deutschland ist eine riesige Kriegsbegeisterung! – Die arme Cora tut unglücken – ach, sie ist so so gut daran – aber da sie es nicht findet, ist sie es wieder nicht. Und wie reizend unsre Soldaten in den Krieg gehen. – Der Zapfenstreich blüht eben so lieb! –