Das Kriegsüberwachungsamt und die Pressezensur

Als oberste Instanz zur Sicherung der Ausnahmebestimmungen wurde in Wien beim Kriegsministerium mit Weisung vom 27. Juli 1914 ein Kriegsüberwachungsamt (KÜA) unter der Leitung von Leopold von Schleyer eingerichtet.
 

In Ungarn schuf man eine dem KÜA korrespondierende Organisation, die Kriegsüberwachungskommission, die in Budapest angesiedelt war. Einen Offizier aus dem ungarischen Landesverteidigungsministerium [setzte] man, so Gustav Spann, als ‚Verbindungsoffizier‘ ein“, um die Zusammenarbeit zwischen den beiden Einrichtungen zu fördern und die Maßnahmen und Verordnungen in den beiden Reichshälften zu koordinieren.

Als „überwachende und leitende Behörde“ sollte das Kriegsüberwachungsamt insbesondere gegen Spionage sowie Aktivitäten, die sich gegen die Staatsmacht und das Militärwesen richteten, vorgehen und über ‚Unzulänglichkeiten‘ der Ausnahmebestimmungen in Kenntnis gesetzt werden. Sein Amtsbereich umfasste dabei „das ganze Gebiet der im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder sowie Bosnien und die Herzegowina“.

Zu den fünf Tätigkeitsgruppen des KÜA gehörte auch eine Zensurgruppe, welche sich wiederum in die Pressezensur (politische und militärische Presse), die Briefzensur sowie die Telegrammzensur untergliederte.

Die politische Pressezensur oblag Mitarbeitern diverser Ministerien, für die militärische Presse waren Militärangehörige und hier vor allem Offiziere zuständig. Die Zensur von Telegrammen war gänzlich militärisch organisiert, bei Briefen arbeiteten die Vertreter des k. k. Handels-, Finanz- und Justizministeriums mit den Militärs zusammen.

Zu einem der Haupttätigkeitsfelder des KÜA zählte die Überwachung von Druckschriften, die im Dienstbuch J-25 a, § 7 geregelt worden war. So mussten beispielsweise und bedingt durch die Außerkraftsetzung der Pressefreiheit die Zeitungsredaktionen Pflichtexemplare ihrer Medienprodukte im Verlauf einer bestimmten Frist dem KÜA zur Überprüfung vorlegen. Grundsätzlich waren Berichte über militärische Nachrichten nur dann erlaubt, wenn sie zuvor vom Kriegspressequartier (KPQ) oder dem Pressebüro des Kriegsministeriums zugelassen worden waren.

Seit Dezember 1915 hielt man täglich zwischen 17:30 und 18:30 Uhr in den Räumen des KÜA Pressekonferenzen ab, bei denen Vertreter der Ministerien und Journalisten Anordnungen erhielten, wie sie mit tagespolitischen Ereignissen umzugehen hatten. Journalisten konnten dabei Fragen an die Vertreter des KÜA stellen beziehungsweise mit diesen diskutieren.

Im Laufe des Jahres 1917 kam es zu einer zunehmenden Aufweichung des sogenannten „Kriegsabsolutismus“ durch Kaiser Karl und seinen Außenminister Graf Czernin, was sich unter anderem auch in der Wiedereinberufung des Reichsrates im Mai 1917 äußerte. Das Kriegsüberwachungsamt und seine Tätigkeiten wurden in diesem Zusammenhang immer mehr zum Gegenstand öffentlicher Kritik. Im August 1917 entließ man daher den Leiter des KÜA und ging daran, eine ‚legitimere‘ Nachfolgeorganisation, die Ministerialkommission im Kriegsministerium zu etablieren. Trotz veränderter Verwaltungs- und Weisungsstruktur führte die Ministerialkommission die Arbeit des Kriegsüberwachungsamtes jedoch „fast nahtlos“ weiter.

Bibliografie 

Ehrenpreis, Petronilla: Kriegs- und Friedensziele im Diskurs. Regierung und deutschsprachige Öffentlichkeit Österreich-Ungarns während des Ersten Weltkriegs, Innsbruck/Wien/Bozen 2005

Scheer, Tamara: Das Kriegsüberwachungsamt: von den Anfängen bis zum Ausbruch des Weltkriegs 1914, Unveröffentlichte Diplomarbeit, Universität Wien 2004

Scheer, Tamara: Kontrolle, Leitung und Überwachung des Ausnahmezustandes während des Ersten Weltkriegs, Unveröffentlichte Dissertation, Universität Wien 2006

Schwendinger, Christian: Kriegspropaganda in der Habsburgermonarchie zur Zeit des Ersten Weltkriegs. Eine Analyse anhand fünf ausgewählter Zeitungen, Hamburg 2011, 57-58

Spann, Gustav: Zensur in Österreich während des Ersten Weltkrieges 1914-1918, Unveröffentlichte Dissertation, Universität Wien 1972

 

Zitate:

„als Verbindungsoffizier ein“: zitiert nach: Spann, Gustav: Zensur in Österreich während des Ersten Weltkrieges 1914-1918, Unveröffentlichte Dissertation, Universität Wien 1972, 57

„überwachende und leitende Behörde“: zitiert nach: Ehrenpreis, Petronilla: Kriegs- und Friedensziele im Diskurs. Regierung und deutschsprachige Öffentlichkeit Österreich-Ungarns während des Ersten Weltkriegs, Innsbruck/Wien/Bozen 2005, 68

„das ganze Gebiet der im Reichsrat ...“: zitiert nach: Ehrenpreis, Petronilla: Kriegs- und Friedensziele im Diskurs. Regierung und deutschsprachige Öffentlichkeit Österreich-Ungarns während des Ersten Weltkriegs, Innsbruck/Wien/Bozen 2005, 69

„Zu einer der Haupttätigkeitsfelder ...": Scheer, Tamara: Das Kriegsüberwachungsamt: von den Anfängen bis zum Ausbruch des Weltkriegs 1914, Unveröffentlichte Diplomarbeit, Universität Wien 2004, 104-106

„Seit Dezember 1915 hielt man täglich …“: Scheer, Tamara: Das Kriegsüberwachungsamt: von den Anfängen bis zum Ausbruch des Weltkriegs 1914, Unveröffentlichte Diplomarbeit, Universität Wien 2004, 117

„fast nahtlos“: zitiert nach: Spann, Gustav: Zensur in Österreich während des Ersten Weltkrieges 1914-1918, Unveröffentlichte Dissertation, Universität Wien 1972, 60

 

Inhalte mit Bezug zu diesem Kapitel

Aspekt

Personen, Objekte & Ereignisse

  • Objekt

    Überwachung & Kontrolle

    Der Alltag in der Habsburgermonarchie war von Propaganda, Überwachung und Kontrolle gekennzeichnet. Die vielen „weißen“ Flecken in den Tageszeitungen zeugen davon ebenso wie Eingriffe in private Briefe und Telegramme. Gleichzeitig wurde durch Bild, Text und Ton versucht, ein einheitliches und kriegsbejahendes Stimmungsbild zu verbreiten. Ausgeschlossen davon waren nicht einmal die jüngsten Bewohner des Reiches; auch die Schulen der Monarchie wurden zu Orten der staatlichen Einflussnahme.

Entwicklungen

  • Entwicklung

    Alltag an der (Heimat) Front

    Wie gestaltete sich der Alltag in der Heimat und an den Fronten während der Jahre 1914 bis 1918? Lässt sich der Alltag einer bürgerlichen Frau mit jenem einer Arbeiterin vergleichen? Machte ein Offizier dieselben Fronterfahrungen wie ein Mannschaftssoldat? Oder müssen wir nicht eher davon ausgehen, dass wir es mit einer immensen Fülle an Einzelerlebnissen und -erfahrungen zu tun haben, die den Kriegsalltag der Bevölkerung und der Soldaten an den Fronten prägten?