Alfred H. Fried und die Friedensbewegung im Krieg – Zwischen Zensur und Spott
Als im Juli 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, schrieb Alfred H. Fried in der Friedens-Warte vom August/September 1914 die folgenden Zeilen an die Leser und Leserinnen seiner pazifistischen Zeitschrift: „An Clausewitz anlehnend, können wir sagen: Der Krieg ist die Fortsetzung der Friedensarbeit, nur mit anderen Mitteln. (…) Durch Jahrzehnte haben wir treue Arbeit geleistet zur Erreichung dieses Ziels unter Aufopferung unserer Kräfte, unseres Lebensglücks. Daß wir unsere Pflicht erfüllt haben, können wir mit ruhigem Gewissen sagen. Eine Niederlage haben wir nicht erlitten, wie unsere Gegner triumphierend behaupten. (…).“
Die Österreichische Friedensgesellschaft war seit dem Juli 1914 angesichts der in Cisleithanien rigoros arbeitenden Zensurbehörden in einer schwierigen Situation. Da von offizieller Seite jegliche pazifistischen Agitationen und Veröffentlichungen untersagt waren, mussten die Tätigkeiten der Gesellschaft weitestgehend eingestellt werden. Bertha von Suttners engster Mitarbeiter Alfred H. Fried emigrierte 1915 in die Schweiz, wo er während der Kriegsjahre versuchte, das weitere Erscheinen der Friedens-Warte zu gewährleisten. Diese Zeitschrift hatte Fried nach dem Einstellen des Publikationsorgans der ÖFG Die Waffen nieder (1899) als eigenes pazifistisches Blatt gegründet. Es erschien erstmals im Juli 1899 und existiert bis heute, wobei es damals das bedeutenste Medium und Forum für pazifistische Ideen und Aktivitäten im deutschsprachigen Raum darstellte und diese Funktion bis heute innehat.
Alfred H. Fried arbeitete zwar eng mit der Österreichischen Friedensgesellschaft sowie der Deutschen Friedensgesellschaft, an deren Gründung im Jahr 1892 er maßgeblichen Anteil hatte, zusammen, stand diesen Organisationen jedoch durchaus kritisch gegenüber. Anders als Bertha von Suttner plädierte Fried beispielsweise dafür, dass erst nach der Gründung einer internationalen Organisation die Schaffung und der Einsatz von Schiedsgerichten sinnvoll wären. Darüber hinaus vertrat er in seinem „ursächlichen Pazifismus“ die Ansicht, dass sich die Pazifistinnen und Pazifisten gegen die Ursachen des Krieges an sich wenden sollten, die nach Fried tief in den gesellschaftlichen Strukturen verankert und dort angelegt waren.
Fried wandte sich auch gegen den vorherrschenden Nationalismus, wie er ihn im Deutschen Reich und in Österreich-Ungarn beobachten konnte und vertrat als einer der Wenigen die Ansicht, dass der Ausbruch des Krieges 1914 vermeidbar gewesen wäre.
Pazifisten und Pazifistinnen wurden in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg und während des Krieges von verschiedenen Seiten vehement diffamiert und diskreditiert. Man verlieh ihnen Attribute wie „sentimental“, „verweichlicht“ und „weibisch“ und tat ihre pazifistischen Konzepte und Ideen als unrealistische Träumereien und Utopien ab. Im Falle Alfred H. Frieds, der jüdischer Herkunft war, waren auch antisemitische Diffamierungen zu hören. Manche von Frieds Kollegen forderten ihn sogar dazu auf, für die Friedensbewegung zum Christentum überzutreten.
Gütermann, Christoph: Die Geschichte der österreichischen Friedensbewegung 1891-1985, in: Rauchensteiner, Manfried (Hrsg): Überlegungen zum Frieden, Wien 1987, 13-132
Tuider, Bernhard: Alfred Hermann Fried. Pazifist im Ersten Weltkrieg. Illusion und Vision, Diplomarbeit, Universität Wien, Wien 2007
Tuider, Bernhard: Alfred Hermann Fried – ein Adlatus oder Inspirator von Bertha von Suttner? Neue Perspektiven auf die Beziehung zweier Leitfiguren der österreichischen Friedensbewegung, in: Marianne Klemun (Hrsg.): Wiener Zeitschrift zur Geschichte der Neuzeit, 2009/2: Wissenschaft und Kolonialismus, Innsbruck 2009, 134–162
Zitate:
„An Clausewitz anlehnend, können …“ : zitiert nach: Alfred H. Fried (Hrsg.): Die Friedens-Warte für zwischenstaatliche Organisation, A. H. Fried, Der Krieg, Jg. XVI., Heft August/September 1914, 281
„[…] zum Christentum überzutreten“: Tuider, Bernhard: Alfred Hermann Fried. Pazifist im Ersten Weltkrieg. Illusion und Vision, Diplomarbeit, Universität Wien, Wien 2007, 43
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Kapitel
- „Die Waffen nieder“ – Bertha von Suttner, die prominente österreichische Friedensaktivistin
- „Die Österreichische Gesellschaft der Friedensfreunde“ – eine nur kurze Geschichte?
- Alfred H. Fried und die Friedensbewegung im Krieg – Zwischen Zensur und Spott
- Der „Bund Österreichischer Frauenvereine“ und das Ende eines Friedensengagements
- In Den Haag oder der ‚Verrat‘ an der kriegsführenden Nation
- „… und morgen geht’s an ein fröhliches Werben f. den Frieden.“
- Der Frieden und die soziale Frage
- Die Idee von der „friedfertigen Frau“?
- Friede und Kirche – oder „Du sollst nicht töten“!
- Friede und Sprache – die Friedens- und die Esperantobewegung
- Para Pacem – die etwas andere österreichische Friedensgesellschaft
- Einzelinitiativen für den Frieden – das Beispiel Julius Meinl und Heinrich Lammasch
- „… einmal muß dieser Krieg doch ein Ende haben?!“